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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
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vor.
    »Nein, bleib hier.«
    Ich hatte mich in seinem Mantel festgekrallt und drehte daran. Meine Toten stöhnten und pulsierten. Meine Toten. Meine ruhelosen Mitbewohner. Meine zwangsweise dreizehnköpfige Familie. Diese Geister, ja, natürlich, so viele Sie mögen. Die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, dass man niemals jene verliert, die man liebt. Die Methode Jeffrey Dahmer. Extrem, aber wirkungsvoll.
    »Luft holen, chérie , Luft holen.«
    Ein Glassplitterfingernagel nach dem anderen zog sich zurück. Der Schmerz verkroch sich in sich selbst, wie der Zeitraffer einer sich schließenden Blüte. Nach und nach schaffte ich es mit Cloquets Hilfe bis zum Lehnsessel. Wolf grinste. Das Grinsen des Gefangenen für seinen Wächter, wenn er weiß, dass die Ausbruchsbande bereits auf dem Weg ist.
    »Hast du es bekommen?«, fragte ich erneut, als ich wieder Luft bekam. »Sag mir wenigstens, dass du es hast.«
    Cloquet schüttelte den Kopf. »Es hat eine Verwechslung gegeben. Es hängt in der Frachtfreigabe in Anchorage fest. Es wird Samstag früh in Fairbanks sein. Es wird aber noch mehr Schnee geben. Ich werde den Schneeschlitten mit dem Anhänger nehmen müssen.«
    Ich erwiderte nichts darauf. Ich dachte an ein Kunstwerk, das ich mal im Museum of Modern Art gesehen hatte: ein Fötus ganz aus Stacheldraht. Lauren und ich hatten nur stumm dagestanden und es betrachtet.
    »Keine Sorge«, beschwichtigte mich Cloquet. »Das sind nur zwei Tage. Der Termin ist erst in sechs Wochen. Ich werde Samstag gleich in der Frühe nach Fairbanks zurückfahren. Sie haben versprochen, dass es da ist. Es muss.«
    ›Es‹ war eine Lieferung an Gerätschaften zur Geburtshilfe, darunter Sauerstoffgerät, Zangen, Stethoskope für Fötus und Mutter, Herzmonitor, PCA-Pumpe, Sphygmomanometer und Nähzeug. Mit ›Fairbanks‹ war Fairbanks, Alaska, gemeint. Mein sich an jeden Strohhalm klammerndes Unterbewusstsein hatte Schnee als sterile Umgebung angesehen, als natürliche Klinik, also hatte Cloquet diese umgebaute Jagdhütte mit den freigelegten Balken, mit Holzofen und den Schränken gefunden, die nach Kampfer rochen. Dreitausend Dollar die Woche, keine Nachbarn im Umkreis von fünfzehn Meilen, kein Telefonempfang, eine halbe Meile Schotterpiste durch die von Weihnachtsbäumen verzauberte Stille bis zum Highway. Von dort aus waren es bis Fairbanks noch neunzig Minuten nach Südwesten. Ich konnte so laut schreien, wie ich wollte. Niemand würde mich hören. Ich hatte eine wiederkehrende Vision von mir selbst, wie ich in einer Blutlache auf dem Esstisch lag und so laut schrie, wie ich wollte. Ich hatte eine Menge solcher wiederkehrender Visionen.
    »Macht nichts«, meinte ich. »Dieses Ding wird mich sowieso umbringen.« Unnötig. Nach Delilah Snow war ich voll mit solch willkürlichen Grausamkeiten. Ich wusste ja, wie sehr die Angst, ich könne sterben, an Cloquet nagte, jetzt, da er Blut an den Händen hatte. Auf einen Werwolf aufzupassen, machte einen für jede andere Tätigkeit ungeeignet. Wie der arme Harley hätte bestätigen können, wenn ihm nicht der Kopf abgeschnitten worden wäre.
    Cloquet nahm die Kränkung klaglos hin, schloss die Tür und zog seine Thermohandschuhe aus. Die Kälte hatte seinem Gesicht ein Aussehen von überraschter Unschuld verliehen. Die Tage des Eyeliners waren vorüber. Er zog ein großes, weißes verknülltes Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. Er tat mir leid. Manchmal sah ich ihn so, menschlich, die geschundene Person und den Weg zurück in seine Kindheit, voller falscher Abbiegungen und hässlicher Zwischenfälle. Vor langer Zeit war er ein kleiner Junge gewesen, mit Seitenscheitel und einer flüchtigen Welt aus geliebtem Spielzeug und stürmischen Erwachsenen. Wie er so mit gerunzelter Stirn und wunder Nase schniefte und wischte, sah ich das Bild dieses dunkeläugigen Kindes vor mir, das allein auf einem Anlegesteg steht, über das schwarze Wasser hinaussieht und auf ein Wiedersehen hofft, das niemals stattfinden wird. Zärtlichkeit stieg in mir auf – doch wie aus einem linkischen Reflex heraus überdeckt durch die neue Kraft, die meinte, das passe nicht hierhin, das gehöre sich nicht. Zu viel anderes ging in mir vor, um dem zu widersprechen, aber ich hatte bereits klargestellt, dass ich keine Regeln mochte. Gott allein weiß, wem gegenüber ich das klargestellt hatte. Irgend so eine unklare Werwolfsangelegenheit, an die ich noch nicht mal glaubte.
    »Wie geht’s?«, fragte
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