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Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote am Hindenburgdamm: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Kari Köster-Lösche
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KAPITEL 1
    Ein kurzes Rucken seines Bootes alarmierte Niklas Asmus, den in Rostock degradierten und ab Frühjahr 1923 mit sofortiger Wirkung nach Sylt strafversetzten Kriminaloberinspektor. Seinen neuen Dienst trat er auf eigenem Kiel an: Statt mit der Eisenbahn ins dänische Hoyer zu fahren, um dort auf das deutsche Fährboot umzusteigen, segelte er nach Munkmarsch auf Sylt. Die Tiden hatte er selbstverständlich sorgfältig berechnet. Und erstmals schien er hier an der Ostküste von Sylt in Schwierigkeiten zu geraten.
    Sollte er sich so bei den Tidenangaben verrechnet haben, und der Wasserstand bei ablaufendem Wasser bereits zu niedrig sein? Tidengewässer waren ihm fremd, er war bisher nur auf der Ostsee unterwegs gewesen.
    Die Wasserstraße von der Sylter Südspitze bis zur Ostspitze war der gefährlichste Abschnitt seiner Reise von Rostock nach Munkmarsch. Ausgerechnet die Rinne, in der sich just die flachste Stelle befand, war nicht betonnt.
    Schweiß trat ihm auf die Stirn, als der Kiel seines Kosterbootes Franziska nochmals deutlich auf Grund stieß. Es hatte zu viel Tiefgang für die Nordsee.
    An Backbord voraus sah er die Halbinsel Nösse von Sylt, die Bake auf Horsbüll Steert lag gewiss schon zweieinhalb Seemeilen hinter ihm. Das Wetter war gut – sofern er nicht vom Kurs abgekommen war, mussten die Pricken, die ihn nördlich von Nösse zwischen den Sandbänken Mittel-Sand und Hesten-Dragt durchleiten würden, bald in Sicht kommen. Immer wieder suchte er mit dem Fernglas den Horizont ab – die verflixte Ansteuerungstonne, die den Anfang der Rinne bildete, konnte doch nicht vertrieben sein!
    Nichts. Weder eine Tonne noch Besen.
    Aber das Unterwasserschiff schrappte immer mal wie zur Warnung am Untergrund. In immer kürzeren Abständen.
    Um Fahrt aus dem Boot zu nehmen, ließ er das Großsegel ein wenig heraus. Gehorsam wurde die Franziska langsamer, aber im Übrigen nutzte sein Manöver herzlich wenig. Die Wellen, obwohl träge mitlaufend, ließen keinen Blick auf den Grund zu – das Wasser war grau und unsichtig. Ganz anders als zwischen den dänischen Inseln, wo man bei solch leichtem Wind den steinigen Boden und einzelne Tangpflanzen gut erkennen konnte und manchmal sogar huschende Krabben auf Jagd.
    Asmus holte tief Luft. Das war vorbei. Der Rostocker Teil seines Lebens war ein Opfer der turbulenten Politik geworden, zu der seit dem Ende des Weltkriegs Putsche, Inflation und Verarmung großer Bevölkerungskreise gehörten. Ebenso die Entlassung oder Strafversetzung von Beamten; nicht selten waren sie Rachemaßnahmen der politischen Gewinner, der ehemaligen Gegner, die in höhere Ämter aufgestiegen waren.
    So gesehen hätte es ihn noch schlimmer treffen können. Er war jetzt ein einfacher Schutzmann, der Streife gehen würde und sich um Verkehrsunfälle zu kümmern hatte. Dabei wusste er nicht einmal, ob es auf Sylt auch schon Autos gab oder er nur Streitigkeiten zwischen überalterten Hochradfahrern und Kutschern zu schlichten haben würde.
    Da, endlich! Er sah die grüne Tonne, die er suchte, weiter an Backbord, als er vermutet hatte. Umgehend fiel er ab, er war zu hoch am Wind gesegelt, um nicht zu nahe an die Ausläufer von Nösse zu geraten.
    Die Geräusche am Kiel verstummten. Asmus atmete auf. Er hatte sich nicht verrechnet, und er war auch nicht zu spät, sondern war um wenige Schiffslängen aus dem tiefen Teil der Rinne abgekommen und an deren Rand geraten, wo der Schlick offenbar eine steil emporragende Wand bildete.
    Hinter der Ansteuerungstonne begann die ausgeprickte Rinne, ein Besen hinter dem anderen. Und da der Wind handig war und aus der richtigen Richtung blies, hatte erkein Problem, mit halbem Wind hindurchzurauschen und dann durch das Pander Tief entlang der beiden Leitfeuer den kleinen Hafen Munkmarsch anzulaufen.
    Aber das Gewässer war eindeutig schwieriger als die Ostsee zwischen den dänischen Inseln. Schiffsführer, die hier tätig waren, hatten seine Hochachtung.
    Das Hafenbecken öffnete sich nach Süden, nördlich von ihm lag eine Landzunge, an der entlang er durch Baken geleitet wurde. Kurz vor dem Molenkopf an einer langen Brücke ließ er das Großsegel herab. Mit der letzten Fahrt im Schiff manövrierte er die Franziska längsseits an die Spundwand und legte hinter zwei dort vertäuten Fischerbooten an.
    Während er seine Festmacher an Land warf und an den Pollern auf Slip belegte, kam bereits ein kurzbeiniger Sylter auf Holzschuhen herangeklappert, wobei ihm die
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