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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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und Ehre, nur mit Schmerz, Blut und Schmutz.
    Im Anschluss holte ich die homerischen Gleichnisse heraus, in denen Achill mit Löwe, Wolf und Delfin verglichen wird. Einerseits betonte ich die Genauigkeit und Nüchternheit der Darstellung, denn sogar der Delfin hat bei Homer nichts von einem Flipper, sondern alles von einem verschlingenden Räuber, der Furcht und Schrecken verbreitet. Andererseits erleuchtete ich den größeren Zusammenhang und zeigte das ganze Epos als Darstellung des notwendigen Ergebnisses, wenn ein Mensch für sich herausnimmt, wichtiger als ein anderer zu sein. Als ich dann in einem geistigen Höhenflug noch kurz anmerkte, wie viel mehr diese Hybris bei den heute zur Verfügung stehenden Waffensystemen zu fürchten ist und im Zuge des Nationalismus sich ganze Völker als überlegen betrachten können, lenkte ich wieder zurück zur Bedeutung der kulturwissenschaftlichen Fächer im Allgemeinen und der philologischen im Besonderen für die kritische Reflexion.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr, ich hatte meine Redezeit um gute 15 Minuten überschritten, aber weder wurde gehustet noch mit den Füßen gescharrt. Alles war gut gegangen. Nach einem Schluck Wasser beendete ich den Vortrag. Ein warmer Applaus drang mir entgegen, es wurden Fragen gestellt. Die übliche Mischung aus Unwissenheit, Selbstdarstellung und Schüchternheit. Schließlich war auch das überstanden und ich konnte mich zum Büfett begeben.
    Ich musste ein paar Hände schütteln und ein paar Komplimente schlucken, an der Bar traf ich auf Professor Glanicic-Werffel, die mir ebenfalls glücksstrahlend die Hand reichte und in eine nicht enden wollende Lobeshymne ausbrach. Irgendwer drückte mir ein Glas Sekt in die Hand und ich war dankbar. Denn so war alles leichter zu ertragen. Das Glas kam von Mila, somit war auch sie noch vorzustellen, was schwer war, ohne in einem Meer aus Peinlichkeiten unterzugehen. Als ich dachte, das Schlimmste hinter mir zu haben, fühlte ich eine schwere Hand auf der Schulter. Nun war auch noch die russische Mafia aufgetaucht. Glanicic-Werffel war ganz angetan von Sergej Trofimowitsch, der sich, ganz russischer Gentleman, nur mit Vornamen und Patronymion vorstellte. Es entspann sich eine skurrile Unterhaltung, in die Mila auch das eine oder andere Wort einwarf. Ich stand daneben und erwartete jeden Moment eine Wendung, in der irgendeine unbedachte Äußerung meinen Untergang bedeuten würde. Aber es kam keine. Zumindestens nicht, bis Dittrich zum Kreis hinzutrat. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, fragte er mich, kaum dass er sich den anderen vorgestellt hatte, nach dem Buch. Wie ferngesteuert griff ich in meine Tasche und überreichte es Dittrich. Sergej Trofimowitsch registrierte das überhaupt nicht. Auch bemerkte niemand, dass er einfach seinen Aktenkoffer stehen gelassen hatte. Ich hatte meine Tasche vorsichtshalber im Büro gelassen. Also stellte ich den Aktenkoffer auf eines der Tischchen und legte meinen Homer und ein paar Zettel mit Alibinotizen hinein. Der Koffer war voller Geld, lauter 500-Euro-Scheine. Mila und ich standen wie versteinert vor dem schönsten Anblick unseres bisherigen Lebens. Dann klappte ich zu. Niemand hatte auch nur das Geringste bemerkt. Es wurde getratscht, geflirtet und parliert. Sogar die beiden unvermeidlichen Leibwachen des Russen standen einfach wie Salzsäulen da und widmeten sich ganz der Aufgabe, hart auszusehen. Als Mila und ich wieder am Gespräch teilnahmen, verabschiedete sich die Frau Professor und wir blieben mit der Mafia allein zurück.
    »Ich wollte Sie einladen, natürlich gilt das auch für Ihre Begleitung. Wir feiern ein kleines russisches Fest heute Abend. Morgen geht es zurück in die Heimat. Wir wissen von dem Besuch heute Vormittag, den Sie erhalten haben, und von seinen unerfreulichen Konsequenzen. Daher denke ich, dass sich das Papyrus Ihrem Zugriff entzogen hat.«
    Ich war kurz perplex, ließ mir aber hoffentlich nichts anmerken. »Werden Sie den Mann verfolgen?«
    »Nicht wirklich. Wir werden sehen, was die Polizei unternimmt; wenn sie ihn dann findet, sind wir zur Stelle, verlassen Sie sich drauf.«
    »Was bedeutet das nun für unsere Vereinbarung?«
    »Persönlich mag ich Sie, Herr Doktor. Sie haben die ganze Angelegenheit über kühlen Kopf bewahrt. Das schätze ich. Sie sind weder überängstlich noch tollkühn. Dass wir beide ein bisschen Pech hatten, ändert daran nicht das Geringste.«
    »Das freut mich, aber Sie wollen mir doch nicht
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