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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens
Autoren: Edgar Wallace
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Kapitel 1
    Im Gerichtssaal herrschte völlige Stille. Die Geschworenen waren zurückgekehrt, und der Richter warf dem hochgewachsenen Angeklagten einen schnellen Blick zu. Dann legte er Akten und Papiere auf die linke Seite seines Tisches, ergriff einen Federhalter und schrieb einige Worte auf ein vor ihm liegendes Formular.
    Eine atemlose Pause - jetzt nahm er die Kappe aus schwarzer Seide und setzte sie auf seine weiße Perücke.
    »James Meredith, nach langer, sorgfältiger Untersuchung sind Sie des schwersten Verbrechens, des vorsätzlichen Mordes, für schuldig befunden worden. Ich stimme mit dem Urteil der Geschworenen völlig überein. Nach der Zeugenaussage der bedauernswerten Dame, mit der Sie verlobt waren, einer Aussage, die Sie hartnäckig als unwahr hinzustellen versuchten, besteht nicht der geringste Zweifel, daß Sie Ferdinand Bulford aus Eifersucht erschossen haben. Die Aussage Miss Briggerlands, Sie hätten den jungen Mann bedroht und sie selbst in einem Zustand maßloser Erregung verlassen, war nicht zu erschüttern. Ein unglücklicher Zufall wollte es, daß Sie mit Mr. Bulford vor der Tür Ihrer Verlobten zusammentrafen. In Ihrer wahnsinnigen Eifersucht schössen Sie ihn nieder.
    Sie selbst haben behauptet, Ihr Besuch bei Miss Briggerland habe nur stattgefunden, um Ihre Verlobung mit der jungen Dame zu lösen. Sie haben weiterhin behauptet, diese Unterredung sei in jeder Beziehung ruhig verlaufen. Sie haben damit sagen wollen, Miss Briggerland habe bewußt einen Meineid geleistet, bewußt Ihre Verurteilung zum Tode herbeiführen wollen - eine ungeheuerliche Behauptung, die Sie durch die Verwandtschaft zwischen Ihnen und Miss Briggerland zu erklären versuchen: Miss Briggerland ist Ihre Kusine und würde durch Ihren Tod in den Besitz eines bedeutenden Vermögens gelangen! Diese abscheulichen Verdächtigungen Ihrer Braut reihen sich würdig an das schwere Verbrechen an, dessen Sie für schuldig befunden wurden, und ich muß sagen, daß ich selten in einen solchen Abgrund von Ehrlosigkeit und Niedertracht geblickt habe. Niemand, der das junge Mädchen auf der Zeugenbank gesehen hat, eine mitleiderregende und in ihrem Kummer so überzeugende Erscheinung, wird auch nur einen Augenblick Ihren phantastischen Erzählungen Glauben schenken.
    Wer sollte Ferdinand Bulford denn getötet haben? Einen Mann, der in der ganzen Welt auch nicht einen Feind besaß? Alle Ihre Behauptungen geben keine Erklärung für den Tod dieses Mannes.
    Ich habe Ihnen jetzt die Strafe zu verkünden, mit der das Gesetz Ihre Untat sühnt. Das von den Geschworenen vorgeschlagene Gnadengesuch wird der zuständigen Stelle zugeleitet werden . . .«
    Dann verkündete er das Todesurteil, und der hochgewachsene Mann auf der Anklagebank lauschte, ohne daß sich ein Muskel seines Gesichtes bewegte.
    Der Mord in der Berkley Street hatte seinen Abschluß gefunden, und als wenige Tage später mitgeteilt wurde, daß die Todesstrafe in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt worden war, gab es Zeitungen und Menschen, die von unangebrachter Milde sprachen. Würde James Meredith nicht vielleicht doch dem Henker überliefert worden sein, fragten sie, wenn er nicht der reiche, mächtige Mann, sondern nur ein armer Teufel gewesen wäre?
    »Das ist also das Ende«, sagte Jack Glover, als er in Begleitung des hervorragenden Anwaltes, der seinen Freund verteidigt hatte, den Gerichtshof verließ. »Die kleine Dame hat gewonnen.«
    Der Anwalt blickte ihn lächelnd von der Seite an.
    »Seien Sie mal ehrlich, Glover. Glauben Sie denn wirklich, das arme Ding könnte so gemein lügen, wenn es um das Leben des Mannes geht, den sie liebt?«
    »Liebt?« wiederholte Jack Glover spöttisch.
    »Ich glaube, Sie sind voreingenommen.« Der Rechtsanwalt schüttelte den Kopf. »Ich persönlich halte Meredith für nicht normal und glaube, daß die angebliche Unterredung mit dem jungen Mädchen nur in seiner Einbildung stattgefunden hat. Jean Briggerland hat einen sehr tiefen Eindruck auf mich gemacht. Sie ist - aber sehen Sie, da kommt sie ja gerade!«
    Sie hatten das Portal des Justizpalastes erreicht. Ein großer Wagen stand am Bürgersteig, und einer der Gerichtsdiener öffnete einem jungen Mädchen in tiefem Schwarz den Schlag. Einen kurzen Augenblick sah man ein blasses, trauriges Gesicht von auffallender Schönheit, dann setzte sich das Auto in Bewegung.
    Der Anwalt atmete tief auf.
    »Wahnsinnig!« sagte er heiser. »Der Mann muß wahnsinnig sein. Wenn ich jemals
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