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017 - Der Engel des Schreckens

017 - Der Engel des Schreckens

Titel: 017 - Der Engel des Schreckens
Autoren: Edgar Wallace
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früh hierherzubringen ... würden Sie ihn heiraten?«
    »Ich?« fuhr Lydia hoch. »Einen Mann heiraten, den ich nie gesehen habe, und noch dazu einen Mörder?«
    »Meredith ist kein Mörder«, versetzte er ruhig.
    »Aber das ist... das ist unmöglich«, rief sie. »Warum denn gerade ich?«
    Er schwieg einen Augenblick.
    »Als wir uns zu diesem Plan entschlossen hatten, suchten wir jemand, dem eine solche Heirat Vorteil bringen würde. Rennett kam auf den Gedanken, die Akten der Londoner Gerichtshöfe zu durchstöbern, um auf diese Weise ein junges Mädchen zu finden, das in großen Geldnöten wäre. Es gibt kein sichereres Mittel, finanzielle Schwierigkeiten aufzudecken, als die Terminregister und Akten der Gerichtshöfe zu studieren. Wir fanden vier junge Damen, aber nur eine kam für unseren Zweck in Frage - und diese eine waren Sie. Bitte, hören Sie mir noch einen Augenblick zu«, bat er, als sie widersprechen wollte. »Wir haben genaue Erkundigungen über Sie eingezogen, leider zu genaue, denn die Briggerlands rochen Lunte und sitzen uns schon seit einer Woche auf der Fährte. Wir wissen, daß Sie nicht verlobt sind, daß Sie die für Sie große Schuldenlast Ihres Vaters auf sich genommen haben und daß Sie weder Verwandte noch Freunde besitzen - von den Kollegen in Ihrem Büro abgesehen. Hier ist der Vorschlag, den wir Ihnen machen, und glauben Sie mir bitte, Miss Beale, ich komme mir recht erbärmlich vor, daß gerade ich es sein muß, der Ihnen dieses Angebot macht: Sie erhalten bis an Ihr Lebensende eine jährliche Rente von fünftausend Pfund, außerdem sofort die Summe von zwanzigtausend Pfund und die feste Zusicherung, daß Sie vom Augenblick der Heirat an niemals - ich sage noch einmal: niemals - von Ihrem Gatten belästigt werden.«
    Lydia hörte dies alles wie in einem Traum - es war zu unwahrscheinlich. Gleich würde sie aufwachen und Mrs. Morgan mit einer Tasse Tee und einem Teller ihrer unverdaulichen Kuchen neben ihrem Bett stehen sehen. So etwas gibt es doch gar nicht, sagte sie sich, und doch - da stand ein junger Mann, mit dem Rücken zum Feuer, der ihr im alltäglichen Ton einen Vorschlag machte, der in das Reich der Romantik - und einer recht unwahrscheinlichen dazu - gehörte.
    »In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander«, sagte sie schließlich. »Das muß doch erst überlegt werden, und wenn Mr. Meredith im Gefängnis ist -«
    »Mr. Merdedith ist nicht mehr im Gefängnis«, unterbrach sie Glover. »Vor zwei Tagen wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert, um sich dort einer leichten Operation zu unterziehen und - er ist jetzt hier im Haus.«
    Sie konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren, und Jack fuhr fort: »Die Briggerlands wissen, daß er entflohen ist; sie nahmen wahrscheinlich an, daß er hier sei, denn wir hatten die Polizei heute nachmittag hier, die das ganze Grundstück sorgfältig durchsuchte. Scotland Yard weiß natürlich, daß Rennett und ich die juristischen Berater Merediths waren, aber wir waren auf den Besuch der hohen Obrigkeit vorbereitet. Wie es möglich war, daß er nicht entdeckt wurde, gehört ja nicht hierher. Und nun, Miss Beale, wie ist Ihre Antwort? Entscheiden Sie sich bitte möglichst rasch!«
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll«, versetzte Lydia hilflos. »Ich muß träumen, und wenn ich genug Mut hätte, um mich tüchtig zu kneifen, würde ich aufwachen. Und doch möchte ich gar nicht aufwachen. Die ganze Sache ist so verlockend phantastisch, so unmöglich.«
    Er lächelte.
    »Kann ich Mr. Meredith sehen?«
    »Nicht vor morgen früh. Ich möchte noch hinzufügen, daß alle Vorbereitungen für eine Trauung getroffen sind. Die Erlaubnis zu einer Eiltrauung ist in unseren Händen, und morgen früh acht Uhr - nebenbei bemerkt, sind Trauungen vor acht und nach drei Uhr in England nicht gültig - wird ein Pastor hiersein, um die Zeremonie vorzunehmen.«
    Ein langes Schweigen folgte. Lydia hatte die Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände gestützt. Glover blickte ernst und mitleidig auf sie hinunter und verwünschte sich selbst, daß er es sein mußte, der diesem jungen Mädchen einen so unerhörten Plan vorzuschlagen hatte. Endlich sah sie auf.
    »Ich nehme an«, sagte sie leise, »aber - in der Zahl der Urteile gegen mich haben Sie sich geirrt. In den letzten zwei Jahren waren es dreiundsiebzig - und ich möchte keinen Anwalt mehr hören und sehen.«
    »Ich danke Ihnen«, war Jack Glovers höfliche Antwort.

Kapitel 4
    Die ganze Nacht
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