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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Autoren: Thomas Frank
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danke.
    Alle glaubten, dass sich die Führer der amerikanischen Rechten nun voll Reue an die Brust schlagen würden. Man hielt es einfach für selbstverständlich, dass sich die konservativen Recken nach all den Pleiten und Pannen, die ihr großer Meister George W. Bush angerichtet hatte, in Grund und Boden schämen würden, dass die Republikaner in sich gehen und schleunigst in die politische Mitte bewegen würden. Zerknirschung war es, was die Welt allenthalben erwartete.
    Was sie bekam, war das genaue Gegenteil, und das nicht zuknapp. Statt sich mit der neuen Geschwindigkeitsbegrenzung abzufinden, gab die Rechte richtig Gas. Statt Kurs auf die Mitte zu nehmen, segelte sie hart steuerbord. Statt nach Kompromissen strebte sie nach ideologischer Reinheit. Statt den verbliebenen Gemäßigten die Führung der Partei zu überlassen, vergraulte die Partei sie.
    Nun schien tatsächlich nichts naheliegender, als dass der Schlamassel der Jahre unter Bush das Ende der konservativen Bewegung einläuten würde: Wenn eine politische Gruppe versagt hat, wenden sich die Wähler von ihr ab. Wenn gewählte Politiker sich zu weit aus dem ideologischen Fenster lehnen, dann holt eine mysteriöse politische Anziehungskraft sie stets wieder in die »Mitte« zurück. Und so schien alles einfach. Die Rechte hatte sich unter ihrem bejubelten Anführer gründlich blamiert, nun war das andere Team am Ball. Politische Zyklen, so glaubte man zu wissen, dauerten gewöhnlich etwa dreißig Jahre, und die Republikaner hatten nun ihre dreißig Jahre gehabt.
    Dass die Republikaner in dieser misslichen Lage der politischen Mitte den Rücken kehren und ihr Glaubensbekenntnis verschärfen würden schien in jenen unschuldigen Tagen undenkbar. Und es gab auch einschlägige Beispiele dafür, dass so etwas nicht funktionieren konnte. Im Jahr 1983 hatte die britische Labour Party den Aufstieg von Margaret Thatcher damit zu kontern versucht, dass sie sich den Wählern als lupenreine Alternative anbot und weit nach links ausscherte. Die Quittung für diese Strategie war eine empfindliche Wahlschlappe gewesen.
    Doch diese rein logischen Überlegungen ließen außer Acht, worum es in der Politik eigentlich geht. Die Konservativen hatten schon andere Krisen durchgestanden und sie wussten, dass die Wähler sich wenig darum scheren, ob eine politische Idee sich in das einfügt, was in Washington als akzeptable Meinung gilt. Ob die Republikaner nun nach »links« oder »rechts« schwenkten war nicht entscheidend – wichtig war vor allem, was sie angesichts der Wirtschaftskrise zu bieten hatten. Und ihr konservativer Flügel hatte eine schlüssige Antwort parat. Wohin man auch blicke, so lautete sie, überall tobe ein epochaler Kampf zwischen den normalen Leuten und den »Eliten«,die den Bürgern ihre Freiheit nähmen. Die großen Bailouts, die der Finanzkrise folgten, sagten sie, hätten gezeigt, wie sich der Staat und Wall Street gemeinsam über unsere Ersparnisse hermachten. Auch die Regulierungen seien nichts anderes als eine Verschwörung der Großen gegen die Kleinen. Während sich also eine Seite zurücklehnte und ganz dem unergründlichen Wechsel der politischen Gezeiten überließ, entschieden sich die Konservativen zum Handeln. Aus der Tiefe ihrer Tradition beförderten sie eine Methode zutage, die Gelegenheiten beim Schopf zu ergreifen, die schlechte Zeiten eben bieten.
    Anstatt anzuerkennen, dass sie dreißig Jahre lang am Ruder gewesen waren, erklärten sie nun, sie hätten nie eine wirkliche Chance gehabt. Die wahren Vertreter ihrer Lehre hätten nie die Führung innegehabt, der »konservative Aufstieg« habe nie wirklich stattgefunden – daher könnte die Katastrophe der letzten Jahre auch nicht den konservativen Ideen angelastet werden. Die Lösung bestünde also nicht darin, die konservativen Grundsätze neu zu überdenken, sondern sie entschiedener denn je zu verfechten und sich noch energischer für die Utopie des Laisser-faire starkzumachen.
    Purer Idealismus dieser Art ist in der amerikanischen Politik ungewöhnlich, und so erwarteten die politischen Kommentatoren, dass das System die Widerspenstigen bald zähmen und die unwiderstehliche Anziehungskraft der »Mitte« auf ihre wundersame Weise alles wieder ins Lot bringen würde. Doch diesmal griffen die Götter nicht in der gewohnten Weise ein. Im Jahr 2010 konnte die radikalisierte Republikanische Partei bei den Wahlen zum Kongress ihren größten Triumph seit Jahrzehnten feiern.

Kleiner
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