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Reise in die Niemandswelt

Titel: Reise in die Niemandswelt
Autoren: Wim Vandemaan
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Daheim
    »Sie waren lange fort«, sagte der Portier.
    Perry Rhodan nickte. »Gut, wieder daheim zu sein.«
    Er betrachtete den kleinwüchsigen Portier, der in einer Flasche neben der Pforte hing. Die Flasche war aus blassgrünem Glas. Sie hing an einem silbrigen Plexostahlfaden und pendelte leicht. Er konnte einige Einrichtungsgegenstände erkennen, den winzigen Diwan, den Ohrensessel vor der leise flimmernden Mediasäule, den schwebenden Bilderwürfel mit den vier Gemälden, jedes von ihnen nicht größer als sein Fingernagel.
    Siganesische Gemälde für den siganesischen Portier.
    Der Portier war sichtbar alt geworden; er stand nah am Glas, der Rücken so krumm, fast berührte der Kopf den Boden, die nackten Arme hingen wie dürre Zweige.
    Er wusste, dass der Portier ihn mit seinen alterstrüben Augen nicht sehen konnte. Das war auch nicht notwendig. Der Portier hatte ihn psionisch abgetastet.
    Als Mentalstabilisierter waren seine Gedanken natürlich keinem Telepathen zugänglich. Aber die Aufgabe des Portiers war es auch nicht, seine Gedanken zu lesen. Die Mentalstabilisierung verhüllte alles Gedachte; der Portier suchte die Struktur der Verhüllung ab, die, wie die Forscher der Para-Akademie Port Teilhard auf der Venus vor vielen Jahrhunderten herausgefunden hatten, genauso einzigartig und unverfälschbar war wie ein Fingerabdruck oder die genetische Signatur.
    Mein greiser Flaschengeist, dachte er, als er den Portier zurück auf seinen Diwan schlurfen und sich die wenigen grauen, spinnwebichten Strähnen mit einer zitternden Hand ordnen sah. Sah, wie der Siganese sich auf das zierliche Möbel legte. Einen Augenblick später war der Portier anscheinend eingeschlafen.
    Selbstverständlich hatte er, während er sich seinem Haus durch den großen Garten genähert hatte, etliche mehr oder weniger diskrete Identifikationen und Musterungen über sich ergehen lassen. Sichtungen durch unsichtbare, niemals schlafende Maschinen. Kontrollen durch schweigsame Tiere, genetisch optimierte und ausgeklügelte Fledermäuse.
    Er warf einen kurzen Blick zurück in den Garten. Er sah die Stelle, an der sich träge hellgrüne, beinahe leuchtende Schwaden drehten. Chlorgas. Hatte er nicht auch diese Stelle schadlos passiert?
    Ja, er hatte etliche Prüfungen überstanden. Der Portier war nur die letzte Instanz.
    Die vorletzte, korrigierte er sich lächelnd, als die Haustür aufglitt.
    »Good evening, Sir«, wünschte der Butler in seinem etwas angerauten, schleppenden Englisch und trat einen Schritt zur Seite. »Letztendlich sind Sie angekommen. Sie haben wahrscheinlich eine lange Reise hinter sich. Es ist in höchstem Maße betrüblich für mich, nicht von Ihnen über den Zeitpunkt Ihrer Rückkunft orientiert worden zu sein, sodass ich Ihnen leider kein akzeptables Mahl anzubieten vermag. Aber womöglich kann ich Ihnen mit einigen pancakes mit Maple Syrup dienlich sein?«
    Täuschte er sich, oder war in die Augen des Butlers ein feiner Schimmer der Verwunderung getreten? Wieso? War er seinem Butler gegenüber neuerdings meldepflichtig? Hatte er ihm sein Kommen und Gehen anzuzeigen?
    Pfannkuchen mit Ahornsirup eigentlich eines seiner Lieblingsgerichte. Er winkte ab. Er hatte keinen Appetit.
    Er fühlte eine abgrundtiefe Erschöpfung. Ihm war plötzlich, als würde sich in seinem Innersten die Erde auftun und seine Seele in einen bodenlosen Abgrund blicken lassen. Einen Abgrund, der einerseits leblos kalt war, andererseits warm und bergend wie eine araische Thermopelerine in einer arktischen Nacht.
    Er meinte, einen Sog zu spüren, näher an diese Abbruchkante seines Selbst heranzutreten, sich hineinfallen zu lassen.
    Er widerstand dem Impuls und legte die Jacke ab, was ihn einiges an Kraft kostete. Es war, als hielte das Futter der Jacke sich mit jeder Faser an seiner Haut fest, wie mit einer Myriade Nesseln. Endlich gelang es ihm, den Stoff von sich zu lösen. Er überreichte die Jacke dem Butler.
    Was bin ich doch für ein Modegeck, dachte er, als er das Kleidungsstück in der Hand des Butlers sah. Ein hochgeschlossenes Stück mit einer Art Stehkragen; schlauchartige Ärmel, die weit über das Handgelenk hinausreichten und das Handgelenk, ja fast noch die Hand ummantelten; insgesamt taillenlang, hinten jedoch mit beinahe knietiefen Schößen.
    Gefertigt aus einer Art verhärtetem, splitterndem Licht. Kristallisierten Flammen. Was ist das für ein Stoff?
    Der Butler hängte die Jacke auf einen Bügel und wischte mit der Hand
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