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Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort
Autoren: Ulrike Köbele
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Cassandra Clare/Maureen Johnson
    Die Chroniken des Magnus Bane
    D ER A UFSTIEG DES H OTEL D UMORT
    Aus dem Amerikanischen
von Ulrike Köbele
    E NDE S EPTEMBER 1903
    Magnus entdeckte die kleine, ausgesprochen verführerische Vampirin sofort. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge und machte nur kurz ein paar Tanzschritte, als die Band einen schnellen Shimmy spielte. Ihr glänzendes schwarzes Haar war zu einem perfekten Bob mit geradem Pony geschnitten, genau wie bei Louise Brooks. Sie trug ein knallblaues Kleid mit herabbaumelnden filigranen Perlenstickereien, die ihre Knie umspielten.
    Eigentlich sah sie wie jeder andere Gast in Magnus’ Flüsterkneipe aus und mischte sich mühelos unter die drei bis vier Dutzend Leute, die sich auf der kleinen Tanzfläche drängten. Doch etwas an ihr war eigenartig, irgendwie verträumt und sonderbar. Die Musik war schnell, aber sie tanzte einen deutlich langsameren, sinnlicheren Rhythmus. Ihre Haut war leuchtend weiß, hatte aber nicht diese staubige Textur, wie sie weißes Puder erzeugte. Während sie so ihren einsamen kleinen Schlangentanz vor dem Saxofonisten der Band aufführte, drehte sie sich langsam um und blickte Magnus ins Gesicht. Dabei blitzten hinter ihrer flammend roten Unterlippe die Spitzen zweier kleiner Fangzähne auf. Als sie es bemerkte, kicherte sie und schlug eine Hand vor den Mund. Gleich darauf waren sie wieder verschwunden.
    In der Zwischenzeit spann Alfie, der sich nur noch mithilfe des Bartresens aufrecht hielt, seine Geschichte weiter.
    »Ich sach also … Magnus, hörst du zu?«
    »Aber sicher doch, Alfie«, antwortete Magnus. Alfie war ein ausgesprochen gut aussehender und unterhaltsamer Stammgast mit einem exzellenten Kleidungsstil und einer ausgeprägten Liebe zu gehaltvollen Cocktails. Er erzählte amüsante Geschichten und lächelte ein unwiderstehliches Lächeln. Er war ein Bankkaufmann oder so etwas Ähnliches. Vielleicht ein Aktienhändler. Jeder schien in diesen Tagen etwas mit Geld zu tun zu haben.
    »… ich sach zu ihm: ›Sie können doch kein Boot in Ihr Hotelzimmer mitnehmen.‹ Und er so: ›Klar kann ich. Ich bin ein Kapitän!‹ Darauf ich so, ich sach …«
    »Einen Moment, Alfie. Ich muss mal eben was erledigen.«
    »Aber das Beste kommtoch erst noch …«
    »Nur einen Moment«, wiederholte Magnus und tätschelte den Arm seines Freundes. »Bin gleich zurück.«
    Alfie folgte Magnus’ Blick und blieb bei dem Mädchen hängen.
    »Na, das is mal ein flotter Käfer«, bemerkte er mit einem Nicken. »Hätte bloß nich gedacht, dass sowas nach deinem Geschmack is.«
    »Mein Geschmack kennt keine Grenzen«, erwiderte Magnus lächelnd.
    »Also, dann mal los. Die is bestimmt nich die ganze Nacht hier. Ich pass für dich auffe Bar auf.« Alfie patschte mit der flachen Hand auf den Tresen. »Kannst mir vertrauen.«
    Magnus nickte Max, seinem erstklassigen Barkeeper, zu, woraufhin dieser umgehend einen weiteren South Side für Alfie mixte. »Damit dir die Kehle nicht austrocknet, während ich unterwegs bin.«
    »Sehr freundlich«, sagte Alfie und nickte. »Bist ’n alter Halunke, Dry.«
    Magnus hatte seine Bar Mr Dry’s getauft. Theoretisch war ganz Amerika gerade »trocken«, nachdem Alkohol landesweit verboten worden war. In Wahrheit war in den meisten Bars von Trockenheit jedoch keine Spur – sie wurden regelrecht von dem Zeug davongespült. Allen voran New York. In New York trank wirklich jeder und die Tatsache, dass man damit nun auch noch gegen das Gesetz verstieß, machte es nur noch besser. Wenn man Magnus fragte, war die Flüsterkneipe eine der größten Erfindungen der Menschheit: Man feierte ausgelassen in vertrauter Runde und das alles war ungesetzlich, aber nicht unmoralisch – ein Hauch von Gefahr ohne echte Bedrohung.
    Mr Dry’s war nicht besonders groß – das waren Flüsterkneipen selten. Schließlich lag es in der Natur der Sache, dass sie geheim waren. Seine verbarg sich hinter der Fassade eines Perückenladens im Westteil der 25. Straße. Um hineinzukommen, brauchte man ein Passwort, das einer von Magnus’ äußerst effizienten Türstehern abfragte, der den angehenden Gast durch einen schmalen Sehschlitz in der gepolsterten Tür am hinteren Ende des Ladens musterte. Sobald man drinnen war, zwängte man sich durch einen engen Korridor und betrat schließlich Magnus’ stolzen Herrschaftsbereich: zehn Tische und ein Marmortresen (aus Paris importiert), hinter dem eine Auslage aus Mahagoni zahlreiche seltene Flaschen
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