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Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort
Autoren: Ulrike Köbele
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schmecken, während sie gleichzeitig zu ermitteln versuchten, wem von ihnen es wohl am schlechtesten ging.
    »Hast du unser Geschenk schon gefunden, Magnus?«, fragte einer der Männer.
    »Allerdings, vielen Dank. Ich habe wirklich dringend Ersatzreifen gebraucht.«
    »Wir haben sie von einem Polizeiauto. Als Gegenleistung dafür, dass sie deine Bar zerstört haben.«
    »Das ist ausgesprochen nett von euch. Wo wir gerade beim Thema sind: Ich denke, ich sollte mal nachsehen, was von meinem Lokal noch übrig ist. Die Polizisten sahen gestern Abend nicht sonderlich erfreut aus.«
    Kaum jemand schenkte ihm groß Beachtung, als er die Suite verließ. Alle aßen und tranken fröhlich weiter, sprachen und lachten darüber, wie schlecht es ihnen ging, und hin und wieder rannte jemand zur Toilette, um sich zu übergeben. So oder so ähnlich lief es eigentlich jede Nacht und jeden Morgen ab. In seinem Hotelzimmer tauchten Fremde auf, jedes Mal vollkommen zerschlagen von den Erlebnissen der vergangenen Nacht. Am nächsten Morgen mussten sie sich erst wieder sammeln. Sie rieben sich die Gesichter mit dem verwischten Make-up, das sie aussehen ließ wie Waschbären, und suchten nach verlorenen Hüten, Federn, Perlen, Telefonnummern, Schuhen und Stunden. Das war kein schlechtes Leben. Es war nichts für die Ewigkeit, aber was war das schon?
    Über kurz oder lang waren sie alle wie Alfie, saßen bei Tagesanbruch weinend auf dem Sofa und bereuten alles. Deshalb hielt sich Magnus von solcherlei Problemen fern. Ganz nach dem Motto: Immer in Bewegung bleiben und weitertanzen.
    Pfeifend zog Magnus die Tür zu seiner Suite hinter sich zu und lüftete vor einer älteren Dame den Hut, die ihn angesichts des Lärms, der bis auf den Flur drang, mit einem zutiefst missbilligenden Blick bedachte. Als er in der Lobby aus dem Aufzug trat, war er schon wieder so gut gelaunt, dass er dem Liftboy fünf Dollar Trinkgeld gab.
    Magnus’ gute Stimmung hielt nicht lange an. Diese Taxifahrt war um einiges weniger fröhlich als die letzte. Die Sonne schien stur mit unverminderter Helligkeit, der Wagen schnaufte und ruckelte und auf den Straßen war deutlich mehr Verkehr als gewöhnlich: Die Autos standen in Sechserreihen nebeneinander, hupten unisono und bliesen giftige Abgase durch das Seitenfenster. Jedes einzelne Polizeifahrzeug, das er sah, erinnerte ihn an die Demütigungen, die ihm in der vergangenen Nacht widerfahren waren.
    Als er in der 25. Straße eintraf, war das volle Ausmaß der Zerstörung sofort zu erkennen. Die Tür zum Perückenladen war kaputt und (nicht sehr sorgfältig) durch ein Brett und eine Kette ersetzt worden. Magnus öffnete das Schloss mit einer schnellen Ladung blauer Funken aus seinen Fingerspitzen und zog das Brett beiseite. Der Perückenladen hatte erheblichen Schaden genommen – die Auslagen waren umgeworfen worden und auf dem ganzen Boden verstreut lagen in einer Lache aus Bier und Wein Perücken, die darin aussahen wie seltsame Meeresbewohner. Die Geheimtür war vollständig aus den Angeln gerissen und quer durch den Raum geschleudert worden. Platschend bahnte er sich einen Weg durch den schmalen, etwas tiefer liegenden Korridor, in dem fast knöcheltief ein stinkender Alkoholmix stand. Ein unaufhaltsamer Strom rann die drei Stufen herunter, die zur Bar hinaufführten. Darüber hinaus bot sich Magnus ein Bild der Zerstörung: zerborstenes Glas, zerschlagene Tische, Trümmerhaufen. Selbst der unschuldige Kronleuchter war aus seiner Halterung gerissen worden und lag nun in Einzelteilen auf den Überresten der Tanzfläche.
    Aber das war noch nicht das Schlimmste. Inmitten dieser Verwüstung saß auf einem der drei noch heilen Stühle der Oberste Hexenmeister von Manhattan, Aldous Nix.
    »Magnus«, sagte er. »Endlich. Ich warte schon seit einer Stunde.«
    Aldous war alt – selbst für einen Hexenmeister. Er war bereits vor der Erfindung des Kalenders auf Erden gewandelt. Basierend auf seinen Erinnerungen wurde allgemein angenommen, dass er knapp zweitausend Jahre alt war. Rein äußerlich sah er aus wie ein Mann von etwa Ende Fünfzig, mit einem dünnen weißen Bart und sauber gestutztem weißem Haar. Sein Hexenmal waren seine klauenartigen Hände und Füße. Die Füße versteckte er in maßgefertigten Stiefeln und über die Form seiner Hände täuschte er hinweg, indem er meistens eine in die Tasche steckte und die andere um den Silberknauf seines langen schwarzen Gehstocks schloss.
    Dass Aldous dort inmitten des Chaos
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