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Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort
Autoren: Ulrike Köbele
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saß, kam einer Anklage gleich.
    »Was verschafft mir die Ehre?«, fragte Magnus, während er behutsam über das Durcheinander auf dem Boden schritt. »Oder wolltest du schon immer mal eine zertrümmerte Bar sehen? Das ist durchaus ein spektakulärer Anblick.«
    Aldous stieß mit seinem Gehstock ein Stück einer zerbrochenen Flasche beiseite.
    »Es gibt sinnvollere Betätigungsfelder, Magnus. Willst du wirklich deine Zeit damit verbringen, Irdischen illegal Alkohol zu verkaufen?«
    »Ja.«
    »Bane …«
    »Aldous …«, erwiderte Magnus. »Ich bin in so viele Schlachten und Probleme hineingezogen worden. Was ist falsch daran, wenn ich eine Zeit lang einfach nur leben und mich aus allem Ärger raushalten will?«
    Aldous deutete mit einer Handbewegung auf die Trümmerhaufen.
    »Das ist kein Ärger«, antwortete Magnus. »Jedenfalls kein richtiger.«
    »Aber es ist auch keine ernst zu nehmende Beschäftigung.«
    »Was ist denn falsch daran, dass ich das Leben ein bisschen genießen will? Wir haben noch die ganze Ewigkeit vor uns. Sollen wir wirklich all diese Zeit mit Arbeit verbringen?«
    Dumme Frage. Aldous würde wohl tatsächlich am liebsten die gesamte Ewigkeit mit Arbeit verbringen.
    »Magnus, es kann doch nicht sein, dass dir nicht aufgefallen ist, dass die Zeiten sich ändern. Da ist etwas im Gange. Der Große Krieg der Irdischen …«
    »Die führen doch andauernd Krieg«, bemerkte Magnus, während er von einem Dutzend zerbrochener Weingläser die Böden aufsammelte und sie nebeneinander in eine Reihe legte.
    »Nicht auf diese Weise. Nicht so global. Jetzt nähern sie sich auch noch der Magie an. Sie erschaffen Licht und Ton. Sie kommunizieren über große Entfernungen. Beunruhigt dich das nicht?«
    »Nein«, sagte Magnus. »Kein bisschen.«
    »Dann siehst du also nicht, was da auf uns zukommt?«
    »Aldous, ich hatte eine lange Nacht. Wovon sprichst du?«
    »Es kommt, Magnus.« Aldous’ Stimme war plötzlich ganz tief. »Man kann es überall spüren. Es kommt auf uns zu und alles wird auseinanderbrechen.«
    »Was kommt?«
    »Der Knall und dann der Absturz. Die Irdischen stützen ihren ganzen Glauben auf das Papiergeld und wenn das zerfällt, stellt das die gesamte Welt auf den Kopf.«
    Ein Hexenmeister zu sein, bewahrte einen offenbar nicht davor, ein bisschen wirr zu werden. Genau genommen konnte es ganz leicht dazu führen, dass man ein bisschen wirr wurde. Wenn man die volle Last der Ewigkeit zu spüren bekam – was vorzugsweise mitten in der Nacht geschah, wenn man ganz allein war –, konnte der Druck unerträglich werden. Das Wissen, dass alle um einen herum sterben würden, während man selbst immer weiterlebte und auf eine unüberschaubare, unbekannte Zukunft zusteuerte, in der wer weiß was die Erde bevölkerte; die Erkenntnis, dass einem wieder und wieder alles unter den Händen wegbrach und man selbst immer und immer weitermachen musste …
    Aldous hatte darüber nachgedacht. Das sah man an seinem Blick.
    »Was du brauchst, ist ein Drink, Aldous«, sagte Magnus mitfühlend. »Ich habe dahinten ein paar außergewöhnliche Tropfen in einem Safe unter dem Boden. Unter anderem einem Château Lafite Rothschild von 1818, den ich mir für besondere Anlässe aufgehoben habe.«
    »Du glaubst wirklich, das ist die Antwort auf alles, oder, Bane? Trinken und tanzen und Liebe machen … aber ich sage dir eines: Etwas kommt auf uns zu und wir wären Narren, wenn wir es einfach ignorierten.«
    »Wann habe ich jemals behauptet, kein Narr zu sein?«
    »Magnus!« Aldous erhob sich ruckartig und stieß die Spitze seines Gehstocks in den Boden, woraufhin sich eine wahre Flut an violetten Blitzen über die Trümmer und Scherben ergoss. Selbst wenn er wirres Zeug redete, war Aldous dennoch ein mächtiger Hexenmeister. Wenn man erst einmal zweitausend Jahre dabei war, schnappte man zwangsläufig das eine oder andere auf.
    »Solltest du jemals wieder zur Besinnung kommen, melde dich bei mir. Aber warte nicht zu lange. Ich habe seit Kurzem eine neue Adresse: das Hotel Dumont in der 116. Straße.«
    Magnus blieb in den tropfenden Überresten seiner Bar zurück. Einen Schattenweltler, der vorbeikam und einen Haufen Unfug über Omen und Katastrophen faselte, konnte man problemlos ignorieren. Aber wenn kurz darauf Aldous auftauchte und mehr oder weniger dasselbe erzählte …
    … es sei denn, beide Gerüchte hatten denselben Ursprung und gingen einzig und allein auf Aldous zurück, der nun wirklich nicht wie die Stimme
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