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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Autoren: Thomas Frank
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Mann, was nun?
    Wie war das möglich? Die einfachste Erklärung für das konservative Comeback besteht darin, dass die Bürger in schlechten Zeiten einfach auf jeden einprügeln, der an der Macht ist. Und im Jahr 2010 traf eseben die Demokraten. Folglich gelang ihren Rivalen ein Comeback. Aber natürlich sind die beiden Parteien nicht einfach austauschbar wie Coke und Pepsi. Sie haben ihr Schicksal zumindest teilweise unter Kontrolle, und sie können sich voneinander abgrenzen. Abgesehen davon bietet die Geschichte zahlreiche Beispiele dafür, dass sich die Wählergunst über einen längeren Zeitraum der einen oder anderen Richtung zuneigt und nicht ständig hin und her pendelt.
    Vielfach hört man auch die Ansicht, der konservative Aufschwung sei Ausdruck von Rassismus, angefacht durch den Wahlsieg eines schwarzen Präsidenten. Tatsächlich gab es hier und da einige dumme Ausfälle gegen den Präsidenten und seine Partei. Aber die Vorurteile Einzelner und eine Handvoll Schmähungen reichen nicht aus, um eine ganze Bewegung in Verruf zu bringen, auch wenn diese Vorurteile und die geäußerten Ausdrücke noch so schändlich sind. Abgesehen von den rassistisch gefärbten Ängsten einiger weniger kann man dem neuen Konservativismus keine systematisch rassistischen Äußerungen oder eine rassistische Politik vorwerfen, und seine Führer befleißigen sich stets der höflichen Sprache der kulturellen Vielfalt. [6]
    Andere erklären sich das Revival der Rechten damit, dass sie nun auch, wie zuvor Obama, das Internet entdeckt haben. Die Konservativen nutzen das Internet, um Anhänger zu werben, sie bloggen wie verrückt und machen ihrem Zorn in aufgeregten Twitter-Nachrichten Luft. Doch wer glaubt, dass die Message nichts und das Medium alles sei, der meint wohl, mit einer schicken, interaktiven Website hätte auch ein König George III. – für die Amerikaner immer noch das Inbild des Tyrannen – Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden.
    Die alten Vorstellungen über Konservativismus greifen in dieser neuen Situation nicht mehr. Lange Zeit ließ sich das Comeback des Laisser-faire-Gedankens mit einem stark vernebelten öffentlichen Diskurs erklären – dem sogenannten Kulturkampf. Von den Siebzigern bis zur Ära von George W. Bush wurden die großen Wirtschaftsfragen nicht in offenen Debatten entschieden. Das erledigtenpolitische Insider in Washington unter sich, während in der Öffentlichkeit über Abtreibung und Evolutionstheorie gestritten wurde.
    Aber der konservative Aufschwung der Jahre 2009–2011 geht einen anderen Weg. Erstmals seit Jahrzehnten will die Rechte die Generaldebatte über Wirtschaft öffentlich führen. Die Pulverschwaden des Kulturkampfs haben sich vorläufig verzogen. Wenn man sich im Online-Diskussionsforum der Tea Party Patriots, einer der führenden Plattformen der neuen Rechten, anmeldet, wird man mit dem Hinweis begrüßt: »Diskussionen über soziale Themen unerwünscht.« Man möge sich auf die Schwerpunkte »Eindämmung des Staats, verantwortbare Finanzpolitik und freie Marktwirtschaft« konzentrieren. Das Manifest der konservativen Bewegung aus dem Jahr 2010, der »Contract from America«, erwähnte kein einziges der Themen des Kulturkampfs der vorausgegangenen Jahrzehnte. Die
Washington Post
fand bei einer Umfrage unter fast allen Tea-Party-Gruppierungen des Landes heraus, dass »soziale Themen, wie gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung, keine große Rolle spielen«. [7]
    Und bei all den Tea-Party-Veranstaltungen, an denen ich in den letzten Jahren teilnahm, sah ich kein einziges Mal ein Protestplakat, das sich gegen Abtreibung richtete, oder hörte einen Redner dieses Thema anschneiden. [8]
    Das bedeutet nicht, dass die Rechte nun ganz auf ihr übliches Täuschungs- und Verwirrspiel verzichtet. Ganz im Gegenteil: Bei ihrer Verteidigung des »Kapitalismus« scheren sich die Führer des jüngsten konservativen Aufstands wenig um den real existierenden Kapitalismus der letzten Jahre, der für beängstigende Schlagzeilen in allen Zeitungen des Landes gesorgt hat. Sie reden im Allgemeinen nicht über Credit Default Swaps oder die Deregulierung, die diese erst so gefährlich machten. Sie haben wenig zu der riesigen Ölpest im Golf von Mexiko zu sagen, die sich im Sommer 2010 mit den Meldungen über den Sieg der Konservativen in den Zwischenwahlen die Schlagzeilen teilte, noch über die skandalösen Praktiken der Banken, säumige Hypothekenzahler mit allerlei dubiosen Manövern so
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