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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Autoren: Thomas Frank
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wir produzierten nicht mehr viel, aber wir dachten uns abenteuerliche Möglichkeiten aus, Schulden abzusichern und Risiken aller Art aufzusplitten. Dem Innovationsgeist des Marktes entsprang auch jener Zweig der Finanzindustrie, der »zweitklassigen« Darlehensnehmern Kredite gewährte, um sie dann an die Investmentbanken der Wall Street zu verkaufen. Auf der nächsten Stufe dieses Prozesses fanden sich wiederum Genies, die diese sogenannten Subprime-Hypotheken in Portfolios bündelten, die schließlich zu gesicherten Schuldverschreibungen zusammengefasst wurden – um dann gegen das Ausfallrisiko dieser Papiere Credit Default Swaps zu verkaufen. [2]
    Inzwischen sang man das Lied der Deregulierung mit solch ideologischer Inbrunst, dass es durch die schlimmsten Fehlschläge in der Realwelt nicht mehr infrage gestellt wurde. Im Geiste dieser Doktrinbefreiten die Bundesbehörden viele Derivate von regulatorischer Aufsicht; sie verwässerten die Anforderungen an die Banken, solche Risiken mit Vermögenswerten abzusichern, sie nahmen Credit Default Swaps von den Auflagen für Versicherungsprodukte aus, sie beschnitten die Eingriffsmöglichkeiten der US-Notenbank und machten es möglich, dass sich viele Hedgefonds nicht mehr bei der Securities and Exchange Commission (SEC), der amerikanischen Börsenaufsicht, registrieren lassen mussten, und sie vereitelten die Bemühungen einiger Bundesstaaten, gegen zweifelhafte Kreditvergabepraktiken einzuschreiten. All dies kann man in den ersten Kapiteln eines einzigen Untersuchungsberichts nachlesen [3] ; zahlreiche weitere Beispiele für den Rückzug staatlicher Regulierung habe ich in meinem 2008 erschienenen Buch
The Wrecking Crew
angeführt.
    Der neue Götze des Marktes war der Bonus: Bezahlung nach Leistung. Diese Doktrin wurde triumphal auf alle Unternehmensbereiche ausgeweitet. Großzügige Anreize, so die Theorie, würden die Manager zu übermenschlicher Anstrengung anspornen und den Anlegern fantastischen Reichtum bescheren. Wie wir inzwischen wissen, inspirierten die Boni hauptsächlich zu übermenschlichen Anstrengungen, das System auszutricksen und Belohnungen unabhängig von dem einzustreichen, was diese Zockerei den Aktienbesitzern und Kunden einbrachte oder langfristig für das betreffende Unternehmen bedeutete.
    Im heiligen Jahr des Marktes 2006, als dieses System seine größten Triumphe feierte, wurde berichtet, dass Goldman Sachs etwa 16,5 Milliarden Dollar Bonuszahlungen an seine Angestellten ausschüttete, ein Geldsegen, der geeignet war, alle anderen Formen menschlicher Motivation zu übertrumpfen – Glaube, Liebe, Pflichtgefühl, Moral, Patriotismus, Gesetzestreue. Kein Wunder, dass der Bonus zu einer Art Kultobjekt wurde. Der Hohepriester der Sekte – oder eher der Führer des gierigen Rudels – war eine Zeitschrift namens
Trader Monthly
, die nicht etwa Wirtschaftsanalysen oder Aktientipps anbot, sondern einzig und allein dem vom Bonusrausch geprägten Lebensstil gewidmet war. »See it, make it, spend it«, alsoetwa: »Sieh es, hol’s dir und hau es auf den Kopf« lautete der Slogan dieser Publikation, die dem angehenden Starmanager der Wall Street helfen wollte, seinen Teil der Beute glanzvoll zu verjubeln. Schwelgerisch wurde über Autos – Lamborghini, Maybach, Ferrari, Maserati – berichtet; für Flugzeuge gab es eine eigene Rubrik. Ging es um Whisky, dann war das natürlich, wie im »Bonus Guide« von 2008, ein Johnnie Walker, der 20.000 Dollar die Flasche kostete.
    Um fröhlichen Lebensgenuss schien es den Börsenhändlern dabei aber nicht zu gehen. In einer Ausgabe charakterisierte
Trader Monthly
, ständig auf der Suche nach dem ultimativen Plattenspieler, ein Gerät für 300.000 Dollar als »riesigen Stinkefinger für jeden, der Ihre Wohnung betritt«.
    Wer nicht versteht, wieso jemand seine Gäste auf diese Weise begrüßen möchte, der hat einfach nicht kapiert, was die Ära Bush umtrieb. Der
Trader Monthly
hingegen hatte das sehr gut verstanden, er tauchte seinen Protagonisten, den Börsenmakler, in goldenes Licht, damit ihn alle in seinem vollen Glanz sahen. Ein Wertpapierhändler war nicht nur ein Superkonsument, sondern ein echter Kerl, der seine Ellenbogen einzusetzen wusste, überall groß rauskam und mitnahm, was es mitzunehmen gab: ein richtiger Rüpel eben. Die hechelnde Anbetung dieser groben Natur gipfelte in einem bizarren Spektakel, das die Zeitschrift im November 2007 organisierte: einem Boxturnier unter Börsenmaklern. Vor
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