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Die Terranauten 099 - Der Öko-Schock

Die Terranauten 099 - Der Öko-Schock

Titel: Die Terranauten 099 - Der Öko-Schock
Autoren: Robert Quint
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Draußen am Rande des Sonnensystems war die Einsamkeit mehr als nur ein Wort.
    Nichts regte sich in den Schlünden und Klüften, die sich wie Wundbrand in die vereiste Oberfläche des Planeten Pluto gefressen hatten.
    In ewiger, absoluter Nacht lagen die Hochplateaus, die schroff abfallenden, nur von Frost und Stille erfüllten Täler und die gezackten, narbigen Gipfel der Berge.
    Weder das Licht der fernen, matten Sonne, noch der Glanz der Myriaden Sterne vermochte es, den rauhen Gletschern ein Funkeln zu entlocken.
    Auf Pluto war es eisig wie in den versteinerten Herzen der Kaisergardisten. An der Peripherie des Sonnensystems zog der neunte Planet seine Bahn, und für jeden Umlauf benötigte er mehr als zweihundertsiebzig Jahre.
    Pluto ist kein guter Ort für Menschen, dachte Lannister Chron, während er über den verharschten Gasschnee tappte, der schon seit Äonen jeden Quadratzentimeter Boden bedeckte.
    Einst, vor Äonen, in einer Zeit, als noch Glut das Antlitz der Erde bedeckte, da mußte Pluto eine Lufthülle besessen, haben. Methan, Wasserdampf, Kohlendioxid … Der Abkühlungsprozeß hatte die Gase gefrieren lassen.
    Chron blieb stehen.
    Er atmete schwer. Trotz der geringen Gravitation des neunten, äußersten Soltrabanten fühlte er sich erschöpft.
    Chron schnitt eine Grimasse.
    Die dumpfe, hilflose Wut, die ihn jedesmal packte, wenn er an die Queen Tian dachte, trieb ihm das Blut ins Gesicht.
    Diese Schnepfe, durchfuhr es Chron. Diese grausame, hartherzige, hoffnungslos verrückte Hexe von Pluto … Sie will mich umbringen. Nicht meinen Körper, meinen Verstand, oh, nein, denn beides benötigt sie noch. Aber meine Seele. Sie will meine Seele töten. Sie will zusehen, wie ich nach und nach innerlich gefriere und wie sich mein warmes, lebendiges Herz in einen Eisblock verwandelt.
    Bei allen Sternen! Das ist wahrhaftig ihr Ziel, und es gibt nichts, das ich dagegen tun kann.
    Chron biß die Zähne zusammen.
    Chron war ein untersetzter, kräftiger Mann, der behäbig aussah, ohne daß man ihn plump nennen konnte. Sein Antlitz war breit und bronzefarben, seine Nase platt, und die großen Augen schimmerten in einem hellen, unschuldigen Blau.
    Die Augen paßten nicht zu dem grob geschnittenen Gesicht, in dem der Mund lediglich ein dünner, breiter Spalt war.
    Die Augen waren die eines Kindes, und sie verrieten nichts von der Intelligenz, die hinter ihnen versteckt lag.
    Lannister Chron war ein Summacum.
    Der Mann in dem dunklen Raumanzug, mit dem schweren, ungefügen Überlebenstornister auf dem Rücken, unterdrückte ein rauhes Lachen.
    Summacum! dachte er. Es gibt keine Summacums mehr. Diese Kaste ist schon vor langen Jahren aufgelöst, zerschlagen worden. Wir haben unsere Privilegien verloren und unsere Moral verraten … Für eine Handvoll Silberlinge und das Geschenk des Lebens.
    Denn, fragte sich Chron, während er sich wieder in Bewegung setzte, denn wer möchte nicht leben? Wer kann so krank sein und sich den Tod wünschen? Wer ist stark genug, wegen der vagen Idee der persönlichen Integrität das schreckliche Abenteuer des Sterbens auf sich zu nehmen?
    Chron war solch ein Mann nicht.
    Er war intelligent, besaß einen IQ von 184 Punkten und hatte eine umfangreiche Ausbildung in zahllosen Wissenschaftsgebieten genossen, ehe er sich auf die Kaiserkraft-Technologie konzentrierte, aber Intelligenz und Bildung hatten nichts mit Charakterfestigkeit, Moral oder Mut zu tun.
    Ich bin ein Feigling, dachte Chron düster, das ist es. Ich bin ein mieser, armseliger Feigling. Und Tian weiß das. Sie hat mich durchschaut.
    Die Queen besitzt Augen, die genauer und tiefer sehen können als die Augen gewöhnlicher Menschen.
    Die Schnitte im Gehirn haben nicht ihr psychologisches Einfühlungsvermögen zerstört. Im Gegenteil. Weil sie nun abgekapselt ist von ihren eigenen Sehnsüchten, Hoffnungen und Ängsten, sieht sie viel klarer, was in ihrer Umwelt vor sich geht.
    Und sie hat meine Akte studiert.
    Jetzt lachte Lannister Chron tatsächlich laut auf, und es war kein angenehmes Lachen. Es klang rauh, verzerrt und hilflos.
    Die Akten, setzte Chron seinen Gedankengang fort, die Computerdossiers, die elektronisch gesammelten und ausgewerteten Personaldaten verraten mehr als jedes Verhör, jede Bewußtseinsspiegelung.
    In den Augen derjenigen, die diese Akten studieren, sind die Akten die Menschen. Und sie haben recht damit. Erde, ferne Erde, sie haben tatsächlich recht damit.
    Chron marschierte weiter durch Kälte, Nacht
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