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Schottisches Feuer

Titel: Schottisches Feuer
Autoren: Monica Mccarty
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Kapitel 1
    »Auf einen schwarzen Anfang
folgt auch ein schwarzes Ende.«
    Schottisches Sprichwort
    In der Nähe von Aboyne Castle, Aberdeenshire,
Herbst 1608
    Aus einer Laune heraus entschloss Jeannie sich, zum Schwimmen an den Loch zu gehen. Das an sich war schon bemerkenswert, denn sie gab selten einem spontanen Einfall nach. Wenn der Apfel für Evas Sündenfall verantwortlich gewesen war, dann war es für Jeannie »diese leise Stimme« in ihrem Hinterkopf, die sie mit »guten Einfällen« bombardierte. Im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, diese Stimme zu ignorieren. Deshalb war nicht mehr viel übrig von dem impulsiven Mädchen, das einst dem Ruin so gefährlich nahe gekommen war. Wann immer Jeannie den Drang verspürte, etwas zu tun, zwang sie sich innezuhalten und nachzudenken, was damit endete, dass sie es sich schließlich anders überlegte.
    Doch nicht dieses Mal. Der ungewöhnlich heiße Tag so kurz vor dem Samhain-Fest und die Aussicht auf ein erfrischendes Bad in den kühlen Fluten des Lochs, bevor die Sonne dem trüben Grau des Winters wich, waren einfach zu verlockend. Ebenso wie die Vorstellung zu entfliehen. Nur für eine Weile. Sich einen Augenblick des Friedens und der Einsamkeit zu stehlen, in dem die Sorgen der vergangenen Monate sie nicht finden konnten.
    Nur ein wenig schwimmen. Eine Stunde, nicht länger. Sie würde auch eine Wache mitnehmen. Und ihre Pistole. Etwas, was sie in letzter Zeit stets an ihrer Seite hatte.
    Sie konnte nicht länger wie eine Gefangene im eigenen Heim eingesperrt bleiben. Der kurze Ausflug zum Loch war genau das, was sie jetzt brauchte. Sie war fast schon aus der Tür, als sie eine Stimme hinter sich hörte und wie angewurzelt stehen blieb. »Willst du irgendwohin, Tochter?«
    Beim scharfen Klang der von Tadel erfüllten Stimme ihrer Schwiegermutter biss Jeannie die Zähne zusammen. Als ob es nicht schon genug wäre, den Tod ihres Ehemannes betrauern zu müssen, war Jeannie in den vergangenen Monaten auch noch gezwungen gewesen, die erdrückende Gegenwart seiner Mutter, der Respekt einflößenden Marchioness of Huntly, zu ertragen.
    Mit zusammengepressten Lippen schluckte sie die Erwiderung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, nämlich dass sie das einen feuchten Kehricht anging. Stattdessen atmete sie tief durch, bevor sie sich umdrehte und sogar ein – wenn auch gequältes – Lächeln zustande brachte. »Es ist heute so herrliches Wetter draußen, also dachte ich, ich gehe kurz zum Schwimmen an den Loch. Ich nehme einen Wachmann mit«, fügte sie hinzu, da sie die Einwände ihrer Schwiegermutter bereits im Voraus ahnte.
    Sie wusste nicht, warum sie sich eigentlich rechtfertigte. Nichts, was Jeannie tat, wurde von der Marchioness je gebilligt. Sie war ihres Sohnes schon nicht würdig gewesen, als er noch gelebt hatte, und nun, da er tot war, gab es keine Hoffnung mehr, dass sie es je sein würde. Warum Jeannie sich immer noch bemühte, sie zufrieden zu stellen, wusste sie nicht. Doch sie tat es dennoch. Denn andernfalls müsste sie sich eingestehen, ihrem Ehemann gegenüber in einer weiteren Hinsicht versagt zu haben, und daran durfte sie nicht denken.
    Die Marchioness erwiderte das Lächeln ebenso gezwungen. Ihre Schwiegermutter mochte einmal eine attraktive Frau gewesen sein, aber im Lauf der Jahre hatte ihr säuerliches Gemüt seinen Tribut gefordert und sich auch in ihrem Äußeren niedergeschlagen. Die hängenden Mundwinkel und tiefen Falten, die ihr Gesicht durchzogen, verliehen ihr einen Ausdruck permanenter Missbilligung. Hochgewachsen und ausgezehrt – durch das ständige Fasten, mit dem sie sowohl ihre Disziplin als auch ihre Aufopferung unter Beweis stellen wollte – sah sie aus wie ein in der Sonne getrocknetes Stück Salzhering.
    Jeannie hatte Hering noch nie gemocht.
    »Hältst du das für eine kluge Idee?« Die Kritik war als Frage getarnt – eine Spezialität der Marchioness.
    Die Frau schien es ausnehmend zu genießen, alles, was Jeannie tat, infrage zu stellen – und dadurch indirekt zu kritisieren. Es war lächerlich. Jeannie war fast achtundzwanzig, aber in Gegenwart der älteren Frau fühlte sie sich wie ein aufsässiges Kind. Kopfschüttelnd schnalzte die Marchioness mit der Zunge, ein kläglicher Versuch, mütterliche Zuneigung zu demonstrieren. »Du weißt, was beim letzten Mal passiert ist, als du alleine fortgingst.«
    Bei diesem versteckten Vorwurf, dass der kürzliche Entführungsversuch auf irgendeine Weise ihre Schuld gewesen
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