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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
Autoren: Thomas Frank
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wählte eine von Angst gebeutelte Nation den Demokraten Barack Obama, Senator von Illinois in erster Amtsperiode, zum Präsidenten, der unter normalen politischen Verhältnissen nahezu keine Chance gehabt hätte: Nicht nur, dass er ein Intellektueller aus einer Großstadt im Norden war, er war auch noch ein Schwarzer.
    Obama war auf einmal der Mann der Stunde. Unter den Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2008 schien er der Einzige zu sein, der einigermaßen begriffen hatte, wie es zur Finanzkrise gekommen war. In einer berühmten Rede im März 2008 hatte er doch tatsächlich leidenschaftlich staatliche Regulierung verteidigt, was sonst kaum ein Politiker wagt. Je weiter sich die Finanzkrise entwickelte, desto mehr wurde er mit Franklin Roosevelt verglichen. Die Zeitschrift
Time
montierte auf einem Titelbild seine Gesichtszüge in ein bekanntes Foto von FDR.
    Kaum hatten die Demokraten die Präsidentschaft errungen, ergriffen sie auch Maßnahmen, die deutlich an die Dreißigerjahre erinnerten, beispielsweise Erleichterungen für Hypothekendarlehen und die Einsetzung einer Kommission, die der Ursache der Finanzkrise auf den Grund kommen sollte. Der frischgebackene Präsident brachte Anfang 2009 ein 787 Milliarden Dollar schweres Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft und eine teilweise Regulierung von Wall Street durch den Kongress. Es gelang ihm sogar, ein Gesetz zur Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht durchzudrücken. Zeitweise sah es tatsächlich so aus, als habe Roosevelt wieder die Regierung übernommen.
    Die Granden von gestern widerriefen reihenweise ihre früherenLehren, so wie es auch 1932 geschehen war. Der prominenteste Fall war Alan Greenspan, Mitglied des bereits erwähnten »Komitees zur Rettung der Welt«. Als Präsident der US-Notenbank hatte sich Greenspan entschlossen dafür eingesetzt, die Märkte für Derivate unreguliert zu lassen, und die Augen geschlossen, als der Ruf laut wurde, die dem Kreditrausch verfallenen Hypothekenbanken unter Aufsicht zu stellen. Doch nun gestand Greenspan auf einmal, »erschrocken und fassungslos« angesichts der Entwicklungen zu sein. Vor einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses sagte er im Oktober 2008: »Es war ein Fehler, davon auszugehen, dass das Eigeninteresse von Organisationen, insbesondere Banken, aber auch anderer, darauf ausgerichtet [war], ihre Anteilseigner und das Firmenkapital zu schützen.« »Sie stellten also fest, dass Ihre Sicht der Dinge, Ihre Weltanschauung, nicht zutreffend war«, hakte der Ausschussvorsitzende nach. »Ganz genau«, antwortete der Maestro.
    Eine Zeit lang hörte man aus den ehrwürdigen Hallen der Universität von Chicago Geschichten von verunsicherten Ökonomen, die ins Grübeln geraten waren. Unter den berühmten Vordenkern der Theorie der Markteffizienz war Nobelpreisträger Robert Lucas, von dem es im Jahr 2008 hieß, ihm seien Zweifel an seinem früheren festen Glauben an die Deregulierung der Banken gekommen. [4]
    Nobelpreisträger Gary Becker gestand im Jahre 2009: »Es gab vieles, was die Leute falsch verstanden haben, was ich falsch verstanden habe, was Chicago falsch verstanden hat.« [5]
    Die erstaunlichste Bekehrung war die von Richard Posner, auch er einer der Recken der Chicagoer Schule. In seinem 2009 erschienenen Buch A
Failure of Capitalism
gab er die Schuld an der Katastrophe unumwunden seinen früheren Mitstreitern in der Deregulierungsbewegung. Der Zusammenbruch »traf die Wirtschaftsliberalisten wie ein Faustschlag«, schrieb er, weil sie ihre Philosophie des freien Marktes so gründlich und augenfällig in Verruf gebracht habe. [6]
    Im Jahr 2010 forderte Posner die Wiedereinführung der Bankenregeln der Dreißigerjahre und schrieb etwas zuvor Undenkbares: eine Hommage an John Maynard Keynes, der Staatsverschuldung alswichtigste Wirtschaftsbelebungsmaßnahme propagiert hatte und dafür von den Anhängern des freien Marktes verteufelt worden war.
    So wie die Leser in den Dreißigerjahren zu Büchern griffen, die die großen Kapitalisten kritisierten und die klassische Wirtschaftstheorie auseinandernahmen, so wollte das Lesepublikum unserer Tage nun alles über den Irrsinn der ökonomischen Orthodoxie lesen. Im Jahr 2009 schrieb ein Kolumnist der Zeitschrift
Time
namens Justin Fox einen Überraschungsbestseller mit dem Titel
The Myth of the Rational Market
, eine gründlichen Abrechnung mit der akademischen Wirtschaftswissenschaft. Michael Lewis, der einst über jene
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