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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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alle von mir überzeugt sind.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Und bei dir?«
    »Ich hab das alles hier geerbt wie ein altes Auto, das einem keiner abkaufen will. Jetzt sitze ich auf der Rostlaube und werde sie nicht mehr los.«
    »Es sollte doch genug Interessenten dafür geben.«
    »Dich?« Als sie begriff, wie er das deuten könnte, ließ sie ihm keine Zeit für eine Antwort. »Ich will versuchen etwas zu verändern. Ein paar Geschäftszweige abstoßen.« Ein Lächeln flackerte um ihre Mundwinkel. »Mehr Windräder bauen.«
    Sie waren jetzt weit genug vom Anwesen entfernt, um die Stimmen der Trauergäste nur noch als wabernden Geräuschteppich wahrzunehmen. Alessandro hielt an, ergriff ihre Hand und zog sie sanft herum, bis sie einander ansahen. Sonnenstrahlen, die durch das Geäst der Olivenbäume brachen, setzten das Grün seiner Augen in smaragdfarbene Flammen.
    »Sind wir jetzt Gegner?«, fragte sie. »So wie unsere Familien?«
    »Meine Familie ist tot. Ich hab nur noch« – er zuckte die Achseln – »Angestellte. Du hast immerhin Iole. Sieht aus, als wärst nun du die große Schwester.«
    Ihre Finger schoben sich wie von selbst zwischen seine. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Müssen wir jetzt Feinde sein?«
    »Das Konkordat wird schon dafür sorgen, dass wir uns nichts antun.«
    Stirnrunzelnd sah sie ihn an, dann bemerkte sie, dass sich seine Grübchen kaum merklich vertieft hatten. »Idiot.«
    »Das hab ich mir auch gesagt, nach der Sache in Gibellina.« Ein Schatten erschien in seinem Blick. »Ich hätte mit dir fahren sollen, ins Krankenhaus. Stattdessen hab ich –«
    »Du hast dafür gesorgt, dass dein Clan nicht auseinanderbricht«, erinnerte sie ihn und meinte es ernst. »Den Rest hab ich ganz gut allein hinbekommen.«
    »Du hättest die Insel verlassen sollen«, sagte er leise. »Ich hatte gehofft, dass du vernünftig wirst und das alles hier zurücklässt. Ich wollte dich nicht aufhalten – und die Schuld daran tragen, dass dir etwas zustößt.«
    »Warum hast du nicht alles aufgegeben? Erzähl mir nicht, für dich sei es ungefährlicher, die Aufgaben deines Vaters zu übernehmen.«
    »Ich bin in diese Welt hineingeboren worden. Das ist es, was ich kenne. Aber du bist anders. All diese Berater und Geschäftsführer eurer Firmen, die sich bald auf dich stürzen werden – jeder Einzelne wird versuchen, für sich selbst das größte Stück vom Kuchen abzuschneiden.«
    »Wir werden sehen.«
    Sein Blick ruhte in ihrem. »Ich sollte mir Gedanken wegen der Geschäfte der Carnevares machen, wegen all jener Leute, die mir lieber heute als morgen in den Rücken schießen würden – stattdessen denke ich Tag und Nacht an dich.«
    Sie war ein wenig schockiert über seine Aufrichtigkeit; dabei hatte sie doch gerade die immer wieder in Frage gestellt. Schweigend sahen sie einander an. Dann beugte er sich vor und küsste sie.
    Sie nahm die Berührung seiner Lippen entgegen, erst zögernd, dann erwiderte sie den Kuss mit einer Heftigkeit, die sie selbst überraschte. Es fühlte sich anders an als bei ihren ersten zaghaften Versuchen, so als wüssten sie mit einem Mal genau, worauf sie sich einließen.
    Nach einem Augenblick flüsterte sie: »Das hier darf niemand erfahren. Unsere eigenen Leute würden uns umbringen.«
    Sein Lächeln verriet Entschlossenheit. Als wäre das eine Herausforderung, der er sich nur zu gern stellen wollte. »Wenn sich alles beruhigt hat und –«
    »Nichts wird sich beruhigen. Der Hungrige Mann wird nach Sizilien zurückkehren. Und das ist nicht alles.«
    »Du meinst die Statue?«
    »Du willst es auch wissen, oder? Was sie zu bedeuten hat?«
    Er nickte.
    »Da unten muss es noch mehr geben. Pantaleone hat gesagt, dass die Antworten auf dem Meeresgrund liegen. Es geht nicht nur um Lamien und Panthera – es muss mehr dahinterstecken. Die Dynastien und TABULA … Die Löcher in der Menge, von denen Fundling und Pantaleone gesprochen haben –«
    Mit einem langen Kuss schnitt er ihr das Wort ab. »Es geht um uns«, sagte er dann. »Nur um uns.«
    Sonnenstrahlen wanderten in goldenen Ornamenten über den Boden und verwoben die Schatten der Zweige miteinander. Sie presste sich an ihn, küsste seinen Hals, seine Wangen, erneut seine Lippen.
    »Ich weiß«, sagte sie, weder zärtlich noch kühl, nicht kühn oder mutig. Einfach nur so, weil es die Wahrheit war. »Aber wir sollten uns eine Weile nicht sehen. Den anderen Zeit geben, sich über sonst was den Kopf zu
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