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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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Alcantaras führen sollen, aber er musste ja mit deiner Mutter auf und davon gehen. Florinda war nie für diese Aufgabe geschaffen.«
    »Ich bin das genauso wenig wie sie. Und ich will es auch gar nicht.« Sie brachte kaum mehr die Lippen auseinander. Ihre Zunge fühlte sich hart und kalt an, wie eingefroren.
    Er schüttelte seinen erhobenen Zeigefinger. »Du weißt nur noch nicht, dass du es willst. Oder möchtest es nicht wahrhaben.« Er machte einen Schritt und stand direkt vor Zoes Körper, keine zwei Meter mehr von Rosa entfernt. »Du und ich, wir haben das Zeug dazu, dem Hungrigen Mann die Stirn zu bieten.«
    »Ich!«, stieß sie höhnisch aus. »Sicher.«
    »Du und ich«, wiederholte er. »Du als meine ausführende Hand. Weil du tief in dir eine Moral trägst, die Florinda gefehlt hat. Dem wiedergeborenen Lykaon ist nicht mit Grausamkeit und Brutalität beizukommen, davon haben er und seine Anhänger mehr als genug. Aber Überzeugung und eine Art von Gerechtigkeitssinn, der nichts mit den abgeschmackten Idealen deiner Richterfreundin zu tun hat … das sind wertvolle Waffen im Kampf gegen ihn.«
    »Geschwätz«, flüsterte sie und ließ den Wind das Wort zu ihm hinübertragen. Sie blickte wieder hinab auf Zoe und hieß die Kälte willkommen, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Schon spürte sie ihre Arme und Beine nicht mehr. Es fühlte sich gut an.
    »TABULA«, sagte sie leise. »Vielleicht wollen sie ja das Richtige.«
    Er lächelte. »Auch über sie werde ich dich Dinge lehren. Über TABULA und die Löcher in der Menge. Es gibt Antworten darauf, weißt du? Tief unten im Meer liegen Antworten auf alles.«
    Hast du dich schon mal gefragt, wer in den Löchern in der Menge geht? Das hatte Fundling zu ihr gesagt, im Auto auf der Fahrt zum Jachthafen.
    Eine Stimme flüsterte: »Rosa?«
    Zoes bleiche Hand schob sich an Rosas Wade empor. Ihre Stimme war so leise, dass das Pfeifen des Windes sie fast übertönte. Aber es war ihre Stimme, zu schwach, um Hoffnungen zu schüren, und dennoch –
    »Armes, zähes Ding«, sagte Pantaleone und zog eine Pistole.
    »Nein!« Rosa setzte über Zoe hinweg auf ihn zu. Im Sprung wurde die Kälte übermächtig. Wurde endlich eins mit ihr.
    Eiskristalle schoben sich durch ihre Blutgefäße. Reif überzog ihre Augäpfel und verblasste wieder. Danach war sie eine andere.
    Pantaleone lächelte.
    Sehr kurz nur. Fast stolz.
    Seine Augen weiteten sich. Wurden dunkel. Die Pistole fiel zu Boden. Er verwandelte sich.
    Dann war sie bei ihm.

Zwei Tiere
    W äre da noch jemand gewesen an diesem Ort am Ende der Welt, am Abgrund der tiefen Gräberschlucht, so hätte sich ihm ein erstaunlicher Anblick geboten:
    Zwei Tiere liegen reglos auf staubigem Asphalt. Sie liegen unweit einer gezackten Bruchkante, wo die Straße einst auf eine Brücke führte; heute endet sie im Nichts, an einem Canyon aus zerklüftetem Fels.
    Das eine Tier ist eine Schlange, fast drei Meter lang und so dick wie ein menschlicher Oberschenkel. Ihre Schuppenhaut ist bernsteinfarben, mit einem Muster in Braun und Gelb und tiefdunklem Rot. Ihr Kopf liegt auf der Seite, ihre Augen sind weit geöffnet – die geschlitzten Pupillen ruhen in eisigem Blau, ungewöhnlich für ein Reptil. Sie hat zwei Fangzähne, lang und gebogen wie Dolche, und eine gespaltene Zunge.
    Der Schlangenleib ist wie eine Spirale um das zweite Tier gewunden, einen mächtigen Keiler mit ergrautem Fell und nur einem Auge; das andere hat er vor langer Zeit verloren, die Augenhöhle klafft offen wie ein Astloch. Auch er liegt leblos auf dem Asphalt, die Beine schlaff, das Maul mit den riesigen Hauern geöffnet. Seine Zunge hängt heraus, sie ist nicht so filigran wie die der Schlange, sondern grob und grau. Sein Körper ist mit alten Narben überzogen. Das eine Auge ist aufgerissen und ein wenig aus der Höhle getreten. Der Tod hat ihn gerade erst geholt, die Fliegen wagen sich noch nicht an den Kadaver. Mehrere seiner Rippen sind geborsten, als sich die Schlange immer fester um seinen Leib gewickelt und ihm das Leben aus der Lunge gepresst hat. Es hat lange gedauert, bis er endlich tot war, aber jetzt ist es vorbei.
    Und während drei Augen in den aufgewühlten Sturmhimmel starren, setzt mit einem Mal eine Wandlung ein. In derUmarmung der Riesenschlange verzerrt sich die Gestalt des Keilers. Zugleich zieht sich sein Fell in Schüben unter die Haut zurück. Seine Schnauze wölbt sich nach innen und glättet sich, aus den Vorderbeinen werden Arme. Eine der
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