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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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Mailbox.
    Als sie an den Barrikaden vorbei auf die gesperrte Asphaltpiste bog, erreichte sie die nächste Nachricht.
    geknebelt nur finger frei haben vergessen mir handy wegzunehmen idioten
    Rosa tippte eine Antwort: Kannst du das lesen?
    ja
    Ist wirklich niemand bei euch?
    Nach quälend langer Wartezeit: nein
    Kurz erwog sie, Quattrini doch noch um Hilfe zu bitten. Aber die Richterin würde kaum Verständnis dafür zeigen, dass Rosa sich einmal mehr aus dem Staub gemacht hatte.
    Und wenn sie es bei Alessandro versuchte? Sobald sie an ihn dachte, herrschte in ihrem Kopf nur noch Chaos. Aber sie durfte jetzt auf keinen Fall zögern.
    Was ist mit Florinda? , schrieb sie zurück.
    verletzt , kam nach endlosem Warten die Antwort. komme nicht ran verblutet
    Rosas Arme fühlten sich zu schwer an, um sie am Steuer zu halten. Schon das Geradeausfahren kostete sie Überwindung.
    Es war jetzt Mittag. Eine graue Wolkendecke schob sich dicht und wattig nach Norden, war in ständiger Umwälzung wie Rauch von einem gigantischen Feuer. Als stünde auf der anderen Seite des Mittelmeers ganz Afrika in Flammen. In den höheren Luftschichten mussten Stürme toben, aber auch hier unten schlugen immer wieder starke Böen gegen den Wagen.
    Bin gleich bei euch , tippte sie, um Zoe und sich selbst zu beruhigen. Noch ein paar Kilometer. Bei ihren Besuchen mit Alessandro war ihr die unvollendete Autobahn nie so lang erschienen. Heute reichte sie bis zum Horizont.
    Zoe?
    beeil dich
    Quattrini hätte versucht sie aufzuhalten. Darum wählte sie die Notrufnummer, beschrieb ihren Aufenthaltsort und bat um einen Krankenwagen. Auf die Frage, wie viele Verletzte es gebe, musste sie ausweichend antworten: »Zwei, wahrscheinlich. Eine Schwerverletzte.« Man wollte ihren Namen wissen, aber sie weigerte sich, ihn zu nennen. Ob sie sicher sei, dass dies kein dummer Scherz sei. »Nein, verdammte Scheiße, ist es nicht!« Dann müsse sie ihren Namen angeben. »Lilia Dionisi«, sagte sie.
    Als sie die Verbindung trennte, hatte sie das niederschmetternde Gefühl, dass sie vergeblich auf Hilfe warten würde. Verbissen starrte sie übers Lenkrad nach vorn, brachte es aber dennoch nicht fertig, die Richterin anzurufen. Jetzt noch nicht.
    kann dich hören , erschien eine SMS von Zoe.
    Und gleich darauf:
    und sehen
    Rosa drosselte die Geschwindigkeit, als der Horizont immer tiefer sank und die Berge auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht sichtbar wurden. Die Abbruchkante der Fahrbahn war jetzt vor ihr.
    Ein dunkler Strich, kurz vor dem Abgrund.
    Jemand lag auf dem Asphalt, wenige Meter vor dem Nichts.
    Sie gab noch einmal Gas. Alles wurde dumpf, ihre Wahrnehmung, ihre Gefühle.
    Im Näherkommen erkannte sie Einzelheiten. Ein schlanker Frauenkörper in einem engen schwarzen Kostüm. Schwarze, zerrissene Strumpfhosen. Keine Schuhe mehr.
    Sie lag auf der Seite, das Gesicht zum Abgrund, mit dem Rücken zu Rosa. Ihr langes blondes Haar war weit über den Boden gefächert. Die scharfen Winde aus der Tiefe fädelten einzelne Strähnen auf und ließen sie um ihren Kopf tanzen wie goldene Schlangen.
    Florinda, durchzuckte es Rosa. Aber wo steckte Zoe?
    Während sie bremste, blickte sie sich um. Zu beiden Seiten der Fahrbahn war Geröll angehäuft, Trümmer der ehemaligen Brückenbefestigung und Bauschutt. Ein unregelmäßiger Wall, an manchen Stellen mehrere Meter hoch, an anderen durchbrochen. Dahinter wuchsen Felswände in die Höhe, die Ränder der Schneise, die man für die Autobahn in die Berge gesprengt hatte.
    Sie hielt den Wagen nur wenige Meter vor der Kante an. Florinda lag drei Schritt von der Fahrertür entfernt, vollkommen reglos. Rosa konnte nicht sehen, ob sie atmete.
    Bevor sie ausstieg, folgte sie einer Eingebung und blickte ins Handschuhfach. Das hier war ein Mafiawagen, da musste doch eigentlich –
    Kaugummis. Und Papiertaschentücher. Aber keine Waffe.
    Nun tippte sie doch noch Quattrinis Nummer, legte den Daumen auf »Enter«, drückte aber nicht darauf. Sie behielt das Handy fest in der Faust, als sie ausstieg und zu ihrer Tante lief.
    »Florinda?«
    Noch während sie den Namen aussprach, erkannte sie ihren Irrtum. Es war eines von Florindas Kostümen. Aber nicht sie war es, die es trug.
    »Zoe!«
    Mit einem Aufschrei sank sie auf die Knie. Die Aufwinde aus der Tiefe zerrten kühl an ihrem Haar, krochen unter ihre Kleidung. Sie begann fürchterlich zu frieren.
    Sie ließ das Handy fallen und rollte Zoe auf den Rücken. Blonde Strähnen
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