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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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spüren war. Er brauchte dringend einen Arzt und sie wollte ihn nicht aufgeben, nicht nach allem, was er für sie getan hatte, ganz gleich aus welchen Motiven.
    Aus den offenen Wagentüren des Jeeps erklang noch immer Musik, süßlicher, nostalgischer Gesang, als müsste über dieses Bild voller Leichen im nächsten Augenblick der Abspann rollen.
    Der Panther senkte das Haupt. Er sah hinab auf den Toten und Rosa fragte sich, ob Alessandro jetzt Genugtuung empfand, weil seine Mutter gerächt war.
    Sie zog Fundling hinüber zum Jeep. Mit letzter Kraft hievte sie ihn auf die Rückbank.
    Der Panther wandte den Kopf und schenkte ihr einen Blick aus traurigen Augen.
    Sie wartete ab und gab ihm Gelegenheit, zu ihr zu kommen.
    Er kam nicht.
    Schlimmer als die Prellungen und Schürfwunden war der Schmerz in ihrer Brust und mit jedem Schlag ihres Herzens tobte er heftiger. »Geh zu deinen Leuten«, sagte sie tonlos. »Du hast es geschafft. Du bist jetzt ihr neuer capo .«
    Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Als sie ihn drehte, verstummte die Musik und setzte gleich darauf wieder ein.
    Der Motor stockte und ruckelte, dann bekam sie die Schaltung unter Kontrolle. Im Rückspiegel sah sie Alessandro, den Beginn seiner Verwandlung zum Menschen – und vielleicht das Ende dessen, was zwischen ihnen war. Fundlings Zustand ließ ihr keine Zeit, es herauszufinden.
    Weiter unten, am Schotterweg im Hang, fand sie Iole und Sarcasmo. Das Mädchen hatte den Hund aus dem Wagen befreit; er schlief zusammengerollt neben ihr im Gebüsch, sein Kopf lag seelenruhig auf ihrem Schoß.
    Schweigend fuhren sie nach Norden.

Zoes Botschaft
    R osa und Iole saßen nebeneinander auf Plastikstühlen vor dem Durchgang zu den Operationssälen. Der junge Mann am Empfang der Klinik hatte versprochen, sich um Sarcasmo zu kümmern.
    Ein Wachmann in Uniform stand einige Meter entfernt und behielt die beiden im Auge. Über Lautsprecher wurde ein Arzt ausgerufen, der sich umgehend in der Chirurgie melden sollte.
    Iole trug über dem weißen Kleid einen roten Bademantel, den eine der Krankenschwestern ihr gegeben hatte. Irgendjemand musste ihn zurückgelassen haben, er war ein paar Nummern zu groß. Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt und den Gürtel dreimal um ihre schmale Taille gebunden, damit sie beim Gehen nicht auf die Enden trat.
    »Ich kenne keinen, der so schlecht Auto fährt wie du«, sagte sie, ohne Rosa anzusehen.
    »War meine erste Fahrt mit Gangschaltung.«
    Ein Chirurg stürmte an ihnen vorüber durch die Verbindungstür zu den OPs. Durchgang nur für Klinikpersonal , stand auf einem Schild. Durch den Spalt sah Rosa für einen Augenblick Männer und Frauen in grünen Kitteln, die zwischen den Operationssälen umhereilten.
    »Glaubst du, er wird’s schaffen?«, fragte Iole.
    »Weiß nicht.«
    »Warum ist er nicht tot, mit einer Kugel im Kopf?«
    »Ich bin kein Arzt.«
    Iole wandte ihr den Kopf zu. »Was bist du von Beruf?«
    »Vor ein paar Monaten war ich noch in der Schule.«
    »Und dann?«
    »Ist was passiert und ich bin nicht mehr hingegangen.«
    »Ich bin gern zur Schule gegangen«, sagte Iole gedankenverloren. »Aber jetzt bin ich dümmer als die anderen, weil mir sechs Jahre fehlen.«
    Rosa sah zu ihr hinüber. »Du bist nicht dumm.«
    »Ich weiß gar nichts. Nur Sachen aus dem Fernsehen. Wie die Assistentin im blauen Kleid heißt und die im roten und warum der Mann im Frühstücksfernsehen nicht gern mit der Straßenbahn fährt. So was eben.«
    »Du bist jetzt frei. Du kannst alles nachholen.«
    Iole dachte darüber nach. »Wahrscheinlich bleib ich einfach zu Hause und schau fern. Damit kenn ich mich aus.«
    »Wir werden schon eine andere Beschäftigung für dich finden.«
    »In die Schule kann ich nicht. Ich bin fünfzehn. Da geh ich doch nicht zurück in die vierte Klasse.« Sie lächelte, aber in ihren Augen stand ein tiefer Ernst. »Alle würden denken, ich bin sechsmal sitzengeblieben.«
    Rosa legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Alle würden spannende Geschichten von dir hören wollen, wie es ist, wenn man von der Mafia entführt wird.«
    »Spannend jedenfalls nicht.«
    »Nein.« Rosa seufzte.
    »Was ist passiert? Ich meine, dass du nicht mehr zur Schule gegangen bist.«
    »Ich war schwanger.«
    »Verliebt?«
    »Nur schwanger.«
    »Oh.«
    Iole schien einen Moment lang zu überlegen, ob es in Ordnung wäre, wenn sie weiterfragte. »Aber wo ist dann dein Kind? Bei dir zu Hause?«
    Rosa schüttelte den Kopf.
    »Ist
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