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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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Abraham! Du gehörst zu den Meinigen, töte eine Ziege, und das Glück soll mit dir sein, Abraham. Aber er hat geschwiegen … Nicht ein Wort hat er gesagt, um David zu retten! Nicht ein Wort von dem, was geschrieben steht …«
    »Wahnsinniger, Verbrecher …«
    »Und mein Volk hat sich gegen seinen Prediger gewandt …«
    Und mit einem Schlag war Márquez ein anderer. In einem einzigen Augenblick wurde sein Blick vom Wahnsinn der Rache getrübt, und er begann zu schreien.
    »Mein Volk, das sündige, vom Teufel besessene, hat den Herrn und seinen Priester beleidigt! Und der Teufel sprach aus den Menschen. Luisa, meine Frau, hatte auch den Teufel im Leib. Und sie hat Gott beleidigt. Also musste ich ihr den Teufel austreiben, um ihre Seele zu retten.«
    Die Augen starr auf etwas gerichtet, das nur er sehen konnte, presste der Mann nach dieser Bemerkung seine Lippen so fest aufeinander, als wollte er bis zum Ende seiner Tage schweigen.
    Der Boden unter Cachos Füßen fühlte sich an wie ein schwankendes Schiff auf offener See. Ein Schiff, auf dem er sich inmitten unwirklicher Dinge kaum aufrecht halten konnte; er, der verrückte Indianer und die beiden Ermordeten in einem Kreis aus Flaschen, die die Luft mit Schnapsgeruch erfüllten.
    Und die Vorstellung, dass er irgendwie für diese Tode verantwortlich war, rief in ihm eine grenzenlose Wut hervor. Bevor er darüber nachdenken konnte, stieß er die Flaschen mit Fußtritten um.
    Er wollte einen Schritt zurücktreten, als der verschüttete Schnaps an den Kerzen Feuer fing. Er wollte weg vom Schauplatz und zurück zu seinem Pick-up, um Abstand zu diesem ganzen Wahnsinn zu gewinnen, aber ein Schlag traf ihn oberhalb des Halses.
    Er drehte sich um und hob schützend die Arme, die auf einmal ganz schwer waren, doch er konnte nicht verhindern, dass der Stein, den Márquez umklammerte, ihn an der Stirn traf.
    »Mandinga, Beelzebub, fahr zur Hölle!«, war das Letzte, was er hörte, bevor er in die Flammen stürzte.
     
    Ich musste den Kopf zur Seite drehen, damit mich die Tränen nicht erstickten. Noch nie hatte ich darüber nachgedacht, wie lästig Tränen sein können, wenn man keine Hände hat, um sie abzuwischen.
    Ich hatte Grund zum Weinen. Endlich hatte ich das Tor meines Lebens geschossen, endlich hatte ich in der Lotterie gewonnen, endlich hatte sich das verdammte Glück an einen erinnert, der es wahrhaftig verdiente. Endlich hatte ich ihn.
    Ich hatte ihn, jawohl. Endlich hatte mir das Chamäleon den Schlüssel zu der Geschichte geliefert.
    Es fehlten nur noch ein paar Einzelheiten. Ich musste herausfinden, was aus Márquez geworden war, nachdem er das Chamäleon niedergeschlagen hatte. Aber das konnte mir mein Zimmernachbar natürlich nicht sagen. Für ihn war die Geschichte am Fuß der Araukarie, wo er sich Brandwunden zugezogen hatte und ihm der Schädel zertrümmert worden war, unterbrochen worden; und das Ende spielte sich hinter diesem Wandschirm ab. Er starb in einem Krankenhaus für Indianer, weil er mit einem von ihnen verwechselt worden war.
    Ich unternahm einen erneuten Versuch, weil ich den Atem des Chamäleons hinter dem Wandschirm deutlicher vernehmen konnte, und wir machten ein paar Schritte zurück.
    Anscheinend ist es wahr, dass jemand, der im Sterben liegt, sein Leben Revue passieren lässt. Das Chamäleon ging mir mit dem Teil seiner Vergangenheit auf die Nerven, der mich überhaupt nicht interessierte; die Zeit, als es Leutnant Cacho war.
    Wieder die Kapuzenträger, die auf dem Boden saßen mit von Drahtfesseln wund gescheuerten Handgelenken, und dieser Geruch, den keine Seife aus dem Gedächtnis löschen konnte.
    Ich bat ihn, still zu sein, doch es war wie ein Zwang, und nicht einmal Gott hätte ihn zum Schweigen bringen können. Er erging sich in zahlreichen Details. Er beschrieb, wie er den Feuerwehrschlauch benutzt hatte, um sie alle auf einmal abzuspritzen und so ein wenig von der Dreckkruste abzuwaschen, die sie überzog. Es kam mir sogar vor, als würde er wieder lachen, dieses Schwein, wenn er sich daran erinnerte, wie er den starken Wasserstrahl auf ihre Köpfe hielt und die Kapuzenträger wie Bowlingkegel über den Boden rollten.
    Ich bat ihn, den Mund zu halten, und die Bitte schien durch seinen Panzer zu dringen, weil es einen Moment lang still wurde. Dann räusperte er sich, um klar sprechen zu können. Ich war mir sicher, dass er bis zum letzten Atemzug nicht mehr aufhören würde. Doch etwas anderes geschah.

Zwölf
     
     
     
    Er
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