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Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Titel: Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
Autoren: Margit Ruile
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1. Kapitel

    in dem sich Hippolyt plötzlich einsam fühlt
    Auf einer kleinen Insel inmitten eines abgelegenen Weihers stand eine riesige Eiche. Ihre knorrigen Äste überschatteten das ganze Eiland, und ihre dicken knotigen Wurzeln gruben sich in die Erde. In den Zweigen des alten Baumes hingen zwei verwaschene T-Shirts, deren Vorderseiten verblichene Bilder von Rock-Bands zierten, und drei verschlissene Herrenunterhosen, die vom aufkommenden Morgenwind aufgebläht wurden.
    Blickte man genauer hin, dann konnte man auch das Baumhaus sehen, das von den Ästen der Eiche getragen wurde. Es war klein und schief und hatte die gleiche graubraune Färbung wie die Rinde des Baumes, sodass es zwischen den dicken bemoosten Ästen kaum auffiel. Es wirkte eher so, als wäre es aus der Eiche selbst herausgewachsen. Einzig die morsche Leiter, die zu einer Falltür unter dem Baumhaus führte, sah so aus, als wäre sie von einem Menschen gemacht. Auf dieser Leiter huschte nun ein schwarzer Kater nach oben.
    Seine weißen Schnurrhaare zitterten, und sein Fell war mit kleinen Wassertropfen bedeckt, die in der aufgehenden Sonne funkelten.
    Der Kater schüttelte sich leicht und die Wassertropfen spritzten auf die Wäsche. Endlich! Er war am Ziel seiner Reise.
    Was für eine Nacht lag hinter ihm! Stundenlang war er am Flussufer entlanggelaufen. Oh, wie vorsichtig er gewesen war! Leise war er über die Wurzeln gehüpft, hatte große Steine und Pfützen und jedes verräterische Geräusch gemieden. Schließlich sollte Mira, die nur ein paar Schritte vor ihm ging, auf keinen Fall etwas merken.
    Nur manchmal, manchmal knackte ein Ast oder es raschelte beim Aufsetzen seiner Pfoten im Schilf. Mira hatte sich dann umgedreht und gelauscht. Der Kater duckte sich, wartete und hoffte, nicht entdeckt zu werden. Doch Mira lief arglos weiter, wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, und als es Morgen wurde und eine glutrote Sonne über dem Fluss aufging, war sie an diesem Weiher angelangt und stieg in ein Boot, um auf die Insel zu kommen. Er hatte sich zwischen dem Schilf am Ufer versteckt und sah sie über das Wasser entschwinden.
    Und so musste er schwimmen. Er hasste Schwimmen! Aber was blieb ihm schon anderes übrig? Oh, wie er gezittert hatte, als er seine Pfote zaghaft in das brackige Wasser am Ufer des Weihers getaucht hatte! Aber er war trotzdem ins Wasser gegangen und paddelte, ruderte und strampelte mithilfe eines kleinen Astes. Ach, hätte er sich doch besser in einen Pfau verwandelt! Nur ein paar Flügelschläge, und er wäre auf der Eiche gelandet. Doch – das war zu riskant. Das Mädchen hätte einen blauen Pfau, der sich schwerfällig durch die Luft kämpfte, sicher bemerkt.
    Mira hatte an der Insel angelegt und war in dem schiefen Baumhaus verschwunden. Was sie wohl dort trieb? Wollte sie etwa hier die Kugeln des Drachen verstecken, die sie in dem Rucksack mit sich herumtrug? Ja, sie hatten es schlau angestellt, sie und ihre Freundin, diese Miranda. Sie hatten die schwarzen Zauberer hereingelegt. Miranda war ihnen als Amsel entkommen und Mira schmuggelte inzwischen die Kugeln an ihnen vorbei. Niemand wusste, wo sie war.
    Niemand, außer ihm!
    Eigentlich sollte er Mira sogar dankbar sein. Hatte ihr plötzliches Auftauchen auf der Versammlung der schwarzen Zauberer nicht dafür gesorgt, dass sich niemand mehr für ihn, Hippolyt, interessiert hatte? Als der Tumult begann, hatte er sich schnell in einen Kater verwandelt. Keiner hatte ihn bemerkt und er war zwischen den Beinen der schwarzen Zauberer hinausgeschlüpft. Sie suchten ja nicht nach ihm. Sie suchten nach Mira und ihren Freunden, die die Kugeln gestohlen hatten.
    Der Kater sprang von der Leiter auf einen nahen Ast, balancierte diesen bis zu seinem Ende und ließ sich dann auf dem Dach des Baumhauses nieder. Er schnupperte.
    Was war das? Eichelkaffee? Sein Magen knurrte.
    Wie das roch! Köstlich. Wann würde er nur endlich wieder etwas zu essen bekommen? Später, ja später würde er am Fluss ein Stückchen zurückgehen. Schöne Schnecken hatte er da gesehen. Wie sie wohl schmecken würden? Gebraten an einem Stöckchen am Lagerfeuer. Dazu ein wenig Salz oder ein bisschen Kräuterbutter ...
    Hier war ein Astloch, durch das man spähen konnte!
    Ah! Da saßen sie. Die drei Kinder. Sie tranken den duftenden Kaffee und ein alter Zauberer mit verfilztem Bart und wirrem Blick aß dicke Fliegen aus einer Schachtel.
    Warum mussten diese weißen Zauberer immer so abgerissen aussehen! Das
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