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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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Straße auf. Da hastete Rosa, so schnell sie konnte, zu der Stelle, wo sie ihr auflauern wollte.
    Kaum hatte Maria die Küche betreten und lautlos die Tür hinter sich geschlossen, ging das Licht an, und das Mädchen erstarrte wie eine Schlange vor ihren Jägern.
    Doña Rosa fuhr hoch wie eine Furie, die eine Hand auf dem Lichtschalter und in der anderen die lederne Reitpeitsche, die Elisea tausendmal in einer Schachtel in der Kommode gesehen hatte.
    Rosa machte ebenfalls eine Entdeckung. Das Mädchen, ihre Bedienstete, hatte eines ihrer alten Festtagskleider an. Ein schwarzes mit Strassbesatz, das sie sich, wenige Jahre nachdem sie Witwe geworden war, für eine Hochzeit hatte anfertigen lassen.
    »Diebin. Diebin und Rumtreiberin …«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stürzte sich mit der erhobenen Reitpeitsche auf ihr Opfer.
    Elisea wich zurück und hielt sich schützend die Hände vors Gesicht, doch die Hiebe trafen ihre Arme schmerzhaft wie ein stumpfes Messer, und sie heulte auf, ein Tier, das um Gnade winselt. Umsonst.
    »Das hätte ich schon viel früher machen sollen, viel früher«, keuchte die Hausherrin zwischen den Schlägen.
    Rosa hatte sich seit Jahrhunderten nicht mehr so gut, so jung und so mächtig gefühlt wie in diesem Moment, in dem sie die Peitsche hinabsausen ließ.
    »Verkommenes Stück, schmutzige Indianerin …«
    Da ging etwas mit dem Mädchen durch. Sie wehrte sich plötzlich kraftvoll wie ein junges Tier, entriss ihr die Reitpeitsche und gab ihr jeden Schlag zurück.
    Doña Rosa nahm einen stechenden Schmerz in der Hüfte wahr und ein Geräusch wie von brechenden Knochen in ihrem Körper, als sie auf den schwarz-weißen Fliesenboden stürzte.
    In Sekundenschnelle schossen ihr unzählige Gedanken durch den Kopf, die von ihrem Niedergang mit einer gebrochenen Hüfte sprachen, und stumm flehte sie Pater Carlos um Hilfe an. Dann übermannte sie eine Woge des Schmerzes, und sie erkannte, dass unverhofft ihre Stunde gekommen war; durch die ungezügelte Hand eines betrügerischen Dienstmädchens.

Elf
     
     
     
    Cacho hielt den Pick-up im Schatten mehrerer Scheinbuchen an und versuchte, sich zu orientieren. Dort, wo das Haus von Márquez sein sollte, ragten ein paar verbrannte Balken in die Luft. Die anderen Farmhäuser sahen verlassen aus, als wären sämtliche Bewohner geflüchtet, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
    »Hier ist niemand«, sagte das Mädchen.
    »Sie müssen in der Nähe sein, sie gehen nie weit weg von hier. Wohin auch?«
    »Sollen wir sie suchen?«
    »Warte, bis ich meinen Kragen anhabe.«
    Das Mädchen lachte amüsiert, als sie Zeugin wurde, wie er die schwarze Hemdbrust und den weißen Kragen anlegte.
    »Ist diese Verkleidung denn nötig? Es gibt einen Haufen Prediger, die nicht so einen hübschen Kragen tragen.«
    »Das stimmt schon. Aber die haben es auch nicht nötig, ein Schild an ihre Ladentür zu hängen.«
    »Ach so«, sagte das Mädchen mit gespielter Naivität und streckte die Hand nach den Bierdosen aus, »in diesem Fall wäre eine Priestersoutane besser.«
    »Trink nicht so viel«, sagte Cacho und schlug ihr auf die Finger, damit sie die Bierdose losließ.
    Dann umklammerte er ihre Schulter, bis ihr Gesicht sich vor Schmerz verzerrte, und sagte: »Ich will nicht, dass sie sehen, wie du säufst. Verstanden? Es wird schon nicht einfach sein, sie davon zu überzeugen, dass du meine Nichte bist. Schnapp dir eine Bibel aus der Tasche und setz die Unschuldsmiene auf, die du schon bei Doña Rosa hattest. Verstanden?«
    Eliseas Augen füllten sich mit Tränen, als Cacho ihre Schulter losließ.
    »Schon gut, Carlos, ich hab verstanden.«
    »Ernesto …«
    »Ernesto.«
    Augenblicke später klatschte er vor einer offenen Tür in die Hände und spähte in einen dunklen, verlassenen Raum. Ein alter Hund, der sich in der hintersten Ecke des Gebäudes versteckte, reagierte mit einem bedrohlichen Knurren auf die Fremden.
    Das Mädchen bekreuzigte sich instinktiv zum Schutz und sagte: »Hier ist ein Unglück geschehen …«
    »Schhhh!«, unterbrach Cacho sie. »Lass mich mal lauschen …«
    Ein Windstoß trug Geräusche herbei, und er hörte, wie jemand auf der anderen Flussseite weinte. Dann sah er auch, woher das Weinen kam.
    Das Grüppchen, das vom Hügel herabstieg, war erbärmlich klein. Nur ein paar Jugendliche und Frauen verschiedenen Alters und ein paar Kinder. Doch heulten sie mit fast animalischer Angst.
    Bestimmt hatten sie sie entdeckt,
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