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Ganz normal verpickelt (German Edition)

Ganz normal verpickelt (German Edition)

Titel: Ganz normal verpickelt (German Edition)
Autoren: Karin Reddemann
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Ganz normal verpickelt
    Karin Reddemann
    Ulrich Terbowen hatte eine phantastische Jugend. Nach fünf duldsamen Jahren fand er sich endgültig damit ab, ein von übelster Akne gezeichneter Schwuler mit (tut mir echt leid, Böwi!) derben genetischen Defiziten zu sein. Mit siebzehndreiviertel färbte er sich die Haare und verpatzte sein Coming Out. Seitdem hat er diesen großartigen psychischen Knacks, der ihn wohl definitiv zum Säufer gemacht hat.
    Ich beneide Böwi brennend um seine Geschichte. Sie macht ihn zu einer spektakulären Person. Es ärgert mich in irrelevanter Hinsicht maßlos, dass ausgerechnet Böwi dieses verdammte Glück hatte, tragisch sein zu dürfen. Ein tragischer Schwuler eben, dem das Schicksal jetzt auch noch sozusagen übergangslos den bekifften Liebhaber, Oberklugscheißer Pete Machulski, genommen hat. Um den es grundsätzlich wirklich nicht schade ist. Tot ist er sowieso nicht. Nur weg. Logisch und Böwi-typisch, dass diese rührende Beziehung nicht einfach nur so beendet wurde, sondern schon recht extrem, eben mit blanken Ärschen unter Küchenschürzen und einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Damit wird sich wohl Hermann-Josef Wurstgesicht befassen, wenn auch nicht gern. Solche Fälle schätzt er nicht.
    Ich persönlich bin noch nicht einmal schwul. Zurzeit gehe ich regelmäßig mit Babba ins Bett und habe eine feste Kolumne im Town-Talk, die unbedingt komisch sein muss. Sonst druckt mein inkompetenter Chef Fritz Heuerling sie nicht, der mich ansonsten mal kreuzweise kann. Meine morgendlichen Sit-ups, After Shave ohne Alkohol (der trocknet die Haut aus) und eine Kräuterminz-Maske am Sonntagabend sind mittlerweile zur liebenswerten Notwendigkeit geworden, weil auch ich nicht mehr zwanzig bin. Auch nicht dreißig. So gönne ich mir ab und an ein Honig-Mandel-Körper-Peeling, lass mir jetzt zum dritten Mal meine Zähne bleichen und nehme mir nach zu viel Burgunder Jahr für Jahr vor, noch einmal nach Lulldorf zu reisen. Dort wohnt Bibo, die ich vor Jahren auf einer Rucksacktour durch Südbayern, sehr südlich, kennengelernt habe. Seitdem schreibt sie mir beharrlich. Ich finde das rührend. Aber Babba und davor Sissa und Susanne und all die anderen wollten immer woanders hin. Außerdem ist da noch der Hund. Otto. Arrogant und sehr eigenwillig. Der fliegt sowieso nicht. Glaube ich. Faktum ist ergo, so wie ich das rein oberflächlich betrachtet sehe: Ich bin wohl einfach nur ganz normal. Das behauptet auch mein Spezialfeind Wurstgesicht, Dr. jur. H.J. Kotterhoff für Nicht-Eingeweihte. Und dieser Mistkerl ist nun so ziemlich der Allerletzte, der mich normal nennen darf. Das werde ich mit Sicherheit nicht auf mir sitzen lassen. Ich zitiere hiermit die Schar meiner Bewunderer, in persona Kalle Feldhaus und Lupo Bruckner aus der Mucki-Bude, also echte Kerle, die diese Welt kennen:
    Jochen, alte Kanone, bist und bleibst doch der Größte. Fuchs du, kannst den Ball wohl nie flach halten, du gerissenes Arschloch, du.
    Aufrichtige Worte.
    Mit Wurstgesicht bin ich noch nicht fertig. Rückblickend muss ich sagen, dass ich ihm schon an diesem Abend in Ullas Pinte voll einen vor den Latz hätte knallen müssen. Verdienterweise. Immerhin hatte er mit dem ganzen Quatsch angefangen. Unfreiwillig allerdings.
    Ich konnte an diesem Abend meine Augen nicht von seiner blöden Nase lassen. Vorn auf der Spitze, boshaft platziert wie in der guten alten Pennälerzeit, hatte er einen feudal fiesen fetten Pickel, eben genau an der unübersehbaren Stelle, die uns als Jugendliche fast in die Massenhysterie getrieben hat. Ein Pickel! Direkt auf der Nase! Bin grausam deformiert! Kann nicht auf die Fete! Muss sterben! Dann Entwarnung. Weiterleben. Es ist ein Gelber! Gott sei mit dir! Quetsch ihn aus, Mann!
    Der von Hermann-Josef war rot. Einer von der ganz hinterhältigen Sorte. Unterirdisch aktiv. „Drück da nicht rum, Jochen, der muss erst noch reifen. Du machst das nur schlimmer.“ Meine dumme kleine liebe Mutter! Muss reifen!!! Hatte ich Äpfel im Gesicht? Als hätte ich freiwillig bis zum Sanktnimmerleinstag gewartet, um meine Entstellung loszuwerden. Ich drückte wie wahnsinnig. Es sah natürlich sehr viel schlimmer aus. Und es tat mordsmäßig weh. So völlig unbelastet ist meine Jugend also auch wieder nicht gewesen. Das nebenbei bemerkt.
    Nun dachte ich mir wirklich nichts verbal Ausbaufähiges dabei, als ich Hermann-Josef dezent auf seinen imposanten Furunkel ansprach. Ich mein, mit
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