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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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ihre zusammengepressten Lippen verrieten, dass sie so etwas schon geahnt hatte. Ihr Körper entspannte sich. Doch sie senkte den Blick, um wie beiläufig zu sagen: »Und Doña Rosa? Sie …«
    »Eine Gaunerei, eine reine Gaunerei. Von irgendwas muss man ja leben. Verstehst du?«
    Sie machte ein verständnisvolles Gesicht und widmete sich wieder ihrem Sandwich.
    Cacho reichte ihr noch ein Bier und zündete sich eine Zigarette an. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sie gierig aß, und eine gewisse Traurigkeit legte sich schwer auf seine Schultern.
    »Ich frage mich etwas, Eli … Du heißt doch Eli, oder? Also, ich frage mich, ob die Alte dich einfach so hat gehen lassen. Dieses Weib ist ziemlich eigennützig.«
    Ein lange Stille entstand, die nur vom Dröhnen eines Tankwagens unterbrochen wurde, der sie mit Vollgas überholte. Dann begann das Mädchen, stumm und mit dem Gesicht zum Seitenfenster, zu weinen.
    »Wenn wir Reisegefährten sein wollen, erzählst du mir besser, was los ist«, sagte Cacho, der annahm, dass das Mädchen die Alte bestohlen hatte, bevor sie abgehauen war.
    Die Geschichte, die er dann aus ihrem Mund zu hören bekam, erklärte einiges und machte alles unendlich kompliziert. So sehr, dass Cacho kurz davor war, den Pick-up anzuhalten, um sie zum Aussteigen zu zwingen. So sehr, dass er die Idee wieder verwarf, weil ihm auf einmal zwei Dinge klar wurden: dass sie ihn umgehend der Polizei ausliefern würde und dass es in seiner Zuflucht in den Bergen nicht unbedingt nach Rauch stinkende Indianerinnen geben musste.
    Aus diesen Gründen hielt er den Pick-up auf dem Seitenstreifen an und befahl ihr, sich auf den Rücksitz zu legen.
    Folgsam gehorchte sie. Er nahm sie zwischen der Reisetasche und dem Aktenkoffer mit den Bibeln.
    Als sie weiterfuhren, bot er ihr eine Zigarette an, und sie teilten sich eine Dose Bier. Sie waren in der Nähe von Zapala, und wenn man sie nicht anhielt, konnten sie beruhigt davon ausgehen, bereits in einer anderen Welt zu sein.
    »Ich nehme an, du hast weder die Polizei noch das Krankenhaus verständigt …«
    »Ich hatte Angst.«
    »Verstehe …«
    »Ich habe die ganze Zeit geheult, und dann bin ich gegangen …«
    »Um wie viel Uhr hat man dich aus dem Lastwagen geworfen?«
    Das Mädchen zögerte und wandte das Gesicht ab. Dann zuckte sie mit den Schultern, als beende sie einen Streit, den sie mit sich selbst geführt hatte.
    »Es war schon hell, als mich der Fahrer raus warf.«
    »Okay, Bonnie und Clyde reiten wieder.«
    »Wer?«
    »Nichts. Nenn sie Ernesto und Eli, das ist schon in Ordnung. Hast du irgendwo Familie?«
    »Ja, ein paar Onkel und Tanten in Ancud, Chiloé.«
    »Und wie bist du in das Haus der Alten gekommen?«
    »Meine Patentante hat mich hingebracht, als meine Mutter starb. Wir waren gerade aus Chile gekommen, und bei ihr konnte ich nicht bleiben.«
    »Okay, Kleine, jetzt reicht es mit der Fragerei; zum Glück bist du keine Gefangene. Ich an deiner Stelle würde ein bisschen schlafen, um Kräfte zu sammeln. Außerdem muss ich nachdenken.«
    Als sie sich von Zapala entfernten, schlief das Mädchen zusammengerollt auf dem Sitz. Und Cacho hatte einen brauchbaren Plan.
    Sie würden ihn nie in Begleitung einer Frau suchen, und sie hatte niemanden, der ihr beistehen würde.
    »Außerdem«, sagte er sich, »sind die Chileninnen ganz schön verdorben.«
    Verdorben und bereit, sich in die ärgsten Schwierigkeiten zu bringen, dachte er, während er vor seinem geistigen Auge versuchte, die Stunden zu rekonstruieren, die der Flucht des Mädchens vorangegangen waren, nachdem sie im Tanzschuppen Orlandos Pille eingeworfen hatte.
    Doña Rosa hatte sich in einem der ungenutzten Schlafzimmer eingerichtet. Von dort aus konnte sie den Hinterhof, den verwilderten Garten mit dem wuchernden Unkraut und den Dienstboteneingang, der zur Straße führte, einsehen.
    Ein plötzlicher Hustenanfall hatte sie mitten in der Nacht geweckt, und sie hatte feststellen müssen, dass Maria nicht da war. Die Angst, die sie befallen hatte, als sie merkte, dass sie allein war, verwandelte sich nach einer Weile in eine Wut, die in ihr den Wunsch nach Rache nährte.
    Der Griff zum Kirschlikör hielt ihren Zorn und sie selbst wach.
    Ein metallisches Quietschen bestätigte ihren Verdacht: Das Mädchen verschwand nachts, um sich mit irgendeinem Kerl zu treffen.
    Ein Schatten erschien auf dem Pfad zwischen dem Unkraut, und Marias dunkle Silhouette tauchte kurz im Widerschein des Lichts von der
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