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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl
Autoren: Chamäleon Cacho
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keinen Schreibplan, selbst wenn dies kaum zu glauben ist. Das Ende stand natürlich fest, jeder Roman braucht ein Ende. Doch das Genre des Noir ist trügerisch, denn es setzt den Fokus mehr auf das Warum als auf das Wer oder Was. Im Gegensatz zum Kriminalroman liegt die Verwirrung des Noir darin, dass die Struktur nicht zur Auflösung eines Rätsels führt, sondern vielmehr neue Fragen aufwirft. Borges unterschied zwischen dem Kriminalroman und dem Noir folgendermaßen: Im ersten steht das Chaos für die Verletzung der Ordnung; der Detektiv löst den Fall und stellt die Ordnung wieder her. Im Noir hingegen treffen der Detektiv und auch der Leser unter dem Chaos auf ein weiteres Chaos. Es gibt keine Antworten, nur noch mehr Fragen. Dadurch täuscht die Struktur des Noir den Leser, denn sie hält ihn fest, damit er sich Fragen stellt, und nicht, damit er Antworten findet.
    Bei Chamäleon Cacho habe ich mich bewusst für ei nen kurzen Roman entschieden, um zu verhindern, dass der Leser das Buch aus der Hand legt oder nicht mehr fühlt, was da passiert. Der ›Faustschlag‹ dient letztlich dazu, den Leser zum Weiterdenken zu bewegen. Selbst ich denke noch viel über diesen Roman nach.«
     
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    »Ich berichte gern indirekt, aus der Peripherie, beispielsweise aus Patagonien, einer Region, die ihrerseits Unterdrückung erfahren hat. In Chamäleon Cacho erzähle ich zum Beispiel von einer Gruppe Mapuche, die ihre ganze Kultur verloren hat und seit Jahren am Rande steht. Aber auch diese Gruppe ist Teil des Ganzen. Aus der Peripherie zu schreiben, scheint mir erzählerisch sehr viel reicher. Es bietet mir mehr Spielraum, physisch wie existenziell, um meine Figuren zu beschreiben.«
     
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    »Den Roman Chamäleon Cacho aus der Sicht eines Täters und nicht aus der des Opfers zu schreiben, schien mir notwendig. Wenn man sich Folterer vorstellt, denkt man unweigerlich an Wesen einer anderen Spezies, an Psychopaten oder Außerirdische womöglich. Die Tatsache, dass sie wie wir sind, verschlimmert noch, was sie tun. Darum frage ich: Sind wir tatsächlich so anders als sie? Wir meinen, Engel, gut zu sein, doch wenn plötzlich ein Vater in einem Tobsuchtsanfall seinen Sohn erschlägt, wie weit ist er dann von diesen Folterern entfernt? Ich lasse diese Frage offen, denn noch habe ich keine Antwort darauf gefunden. Die Hölle ist viel näher, als wir meinen. Manchmal sollte jeder von uns sich in das hineinversetzen, was er niemals sein möchte. Der Noir hat mir ermöglicht, diese Figuren zu beschreiben, eine Art Negativspiegel zu schaffen, dreckig und schwarz, in den man einen Blick werfen und seine dunklen Seiten sehen kann.«
     
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    »Die Frage nach Gut und Böse ist eine moralische Frage, wie sie im Christentum und im Judentum häufig gestellt wird. Meiner Ansicht nach sind Gut und Böse grundsätzlich austauschbar: Es kommt immer auf die Sichtweise an. Die Personen des Romans führen uns ständig vor Augen, wie nah sich diese beiden Kategorien doch stehen. Manche Leser tendieren dazu, sich mit den guten, den schönen Charakteren zu identifizieren. Andere hingegen bevorzugen komplexere Gestalten, in die man sich weniger gut einfühlen kann und die uns dazu bringen, über Gut und Böse nachzudenken. Genau das möchte ich mit diesem Buch erreichen, ich möchte den Leser an den Punkt bringen, an dem diese Kategorien ineinander übergehen.«
     
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    »Literatur ist für mich ein Mittel, Geister und Obsessionen auszutreiben. Durch das Schreiben kann ich sie zwar nicht beherrschen, doch immerhin schaffe ich es, ihnen ins Auge zu schauen. Und ich vermute, auch dem Leser kann es so ergehen.«
     
     
    Aus Interviews mit Raúl Argemí,
    geführt von Michele De Mieri, L’Unità und Giulia Gadaleta, TrackBack.
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