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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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|7| Prolog
    Die Glocken des Doms Santa Maria del Fiore schlugen elf Mal.
    Als das Geläut verstummte, öffnete Domenian die Tür des Gotteshauses und betrat das dämmrige Schiff. Vor den Seitenaltären brannten kleine Öllichter, die seinen Schatten auf den gefliesten Boden warfen. Domenian erschrak über den Nachhall seiner eigenen Schritte. Er schaute zu der riesigen Kuppel empor. Ihm war, als verfolgten ihn Augen von Teufeln und wilden Tieren. War es die Angst um seinen Herrn Savonarola, die ihn umtrieb? Seine Finger pressten sich so fest zusammen, dass es schmerzte.
    Vater, verzeih mir meine sündigen Gedanken, ich bitte um Vergebung. Er kniete vor einem der Seitenaltäre nieder, zog einen Strick aus seinem Ordensgewand, entblößte seinen Rücken und begann sich zu geißeln. Lass mich nicht im Feuer der Hölle schmoren, sondern erlöse mich von dem Bösen! Ich werde mein Werk in deinem Sinne ausführen, o Herr. Er ließ noch einmal das Seil über seinen Rücken sausen und stöhnte vor Schmerzen.
    Er sah den Scheiterhaufen vor sich, der im Februar auf der Piazza della Signoria gebrannt hatte, sah die Augen Savonarolas, die fiebrig glänzten, als die Kostbarkeiten der Reichen in Flammen aufgingen und schließlich zu Asche zerfielen. Ein krachendes Geräusch von der Tür her ließ ihn auffahren. Im trüben Schein der Lampen sah er, wie einige Schatten in den Raum eindrangen. Wer wagte es, dieses Haus Gottes zu entweihen?
    Unterdrücktes Kichern drang an seine Ohren. Waren das etwa die
Compagnacci,
diese gottverlassenen Söhne der Patrizier, die immer noch den Namen Lorenzo de’ Medicis im Munde führten?
Palle, palle, palle!
, das war der Schlachtruf dieser frechen, genusssüchtigen Bürschchen geworden. Und wie um ihn zu verhöhnen, |8| riefen die Jungen in den Raum hinein:
Palle, palle!,
Savonarola, dir werden wir’s besorgen! Domenian verbarg sich hinter einer der Säulen.
    Trappelnde Schritte, huschende Gestalten bewegten sich schnell auf die Kanzel zu. Ein Geruch nach verwesendem Fleisch drang in die Nase des Mönchs. Sie werden es doch nicht wagen … Flüsternd und mit unterdrücktem Lachen machten sich die Jungen an der Kanzel zu schaffen. Domenian hörte Hammerschläge. Sie schlugen auf die Kanzel ein! Jetzt war das Maß voll. Er trat hinter der Säule hervor und rief mit donnernder Stimme: »Gott strafe euch, und in der Hölle sollt ihr braten für das, was ihr getan habt!«
    Erschrocken hielten die Missetäter einen Augenblick lang inne, dann begannen sie zu lachen. Sie johlten, ließen alles stehen und liegen, kamen in rasendem Lauf auf ihn zu. »Halt’s Maul, Mönchlein, sonst könnte es passieren, dass wir dich an deinem Spitz aufhängen!«, rief einer von ihnen. Er stieß ihn zur Seite, so dass Domenian zu Boden stürzte. Sie rannten aus der Kirche hinaus, und er blieb allein zurück mit dem bestialischen Gestank und einer bleiernen Stille.
    Auf der Kanzel lag das Fell eines Esels, besudelt mit Blut und Eingeweiden. In die Brüstung, genau an der Stelle, worauf Savonarola während seiner Predigten mit der Faust zu schlagen pflegte, hatten sie spitze Nägel eingeschlagen.

|9| 1.
    Er kauerte im Dunkeln draußen und starrte in die hell erleuchteten Fenster, wo die Reichen in ihren bunten Kleidern funkelnde Gläser erhoben und dem Luxus frönten. Sie zogen alles in den Dreck, was ihm heilig war. Dennoch liebte er es, ihr Treiben heimlich zu verfolgen, denn da war ein Mensch unter ihnen, den er gerne beobachtete. Von Zeit zu Zeit musste er wiederkehren, hier an den Ort, wo alles begonnen hatte. Es war für ihn ein Leichtes gewesen, in den Garten einzudringen, wo er sich hinter dem Lorbeerbaum versteckte, direkt vor der Tür zur Terrasse. Es donnerte in der Ferne, er blickte auf, bald würde der Regen fallen, er sollte sich lieber auf den Weg machen. Mit einem letzten Blick in den Festsaal nahm er Abschied von seinem Engel, und dieser Blick änderte alles. Er sah etwas, was ihm nicht gefiel.
    Eine Hand, die den Arm seines Engels ergriff, einen stolzen, besitzergreifenden Blick, einen hängenden Kopf.
     
    Der Frühling war ins Land gekommen, mit Anemonen und Blausternkissen, doch auch mit feuchter Luft und Gewittern. Im Südwesten, von Florenz her, hatte sich eine dunkle Wolkenwand zusammengebraut, die bedrohlich wuchs. Angelina trat in den Festsaal, der von den Kerzen der Kristalllüster erleuchtet war. Unter den fein gekleideten Gästen herrschte eine aufgeräumte Stimmung, sie plauderten und
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