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Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)

Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)

Titel: Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Autoren: Anne Carina Hashagen
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Falten, vor allem auf der Stirn, sah Anton gar nicht gerne an seiner Mutter. Sie passten nicht zu ihrem mädchenha f ten Gesicht und hatten dort auch nichts verloren. Viel lieber waren ihm die kleinen Wangengrübchen, die sich bildeten, wenn seine Mutter herzhaft lachte oder fröhlich vor sich hin lächelte. Aber die Grübchen waren ein selt e ner Anblick geworden.
    „Fräulein Sperling sagte, du nimmst ihren Unterricht überhaupt nicht ernst“, riss Marie Pfeiffer ihren Sohn aus seinen Gedanken.
    „Tatsächlich?“ Dass Fräulein Sperling Wert darauf le g te, dass gerade er, Anton, ihren Unterricht ernst nahm oder nicht, konnte er sich beim besten Willen nicht vo r stellen. Schließlich gab es eine verlässliche Streber-Fraktion in der Klasse. Und nicht zu vergessen, Jan Hendrik, das froschgesichtige Wunderkind mit Vorliebe für binomische Formeln. Mehr konnte Fräulein Sperling wirklich nicht verlangen.
    „Ja, das hat sie gesagt“, nickte Marie Pfeiffer und sah ihren Sohn streng an. „Letzte Woche beim Elternabend.“
    „Ich mag nun mal kein Mathe“, murmelte Anton. Da ihm schwante, dass diese Aussage nicht dazu geeignet war, die morgendliche Stimmung seiner Mutter zu heben, fügte er noch schnell hinzu: „Du weißt doch, aus mir wird mal ein Künstler. Künstler brauchen kein Mathe.“
    „Anton, du bist ein Träumer“, stellte seine Mutter mit einem tiefen, schicksalergebenen Seufzer fest. Dann nahm sie den letzten Schluck aus ihrer Kaffeetasse und stand auf.
     
    Aber halt. Erstmal müssen wir ein paar Dinge erklären. Wer war Anton Pfeiffer überhaupt? Schließlich machen wir uns hier die Mühe, ein ganzes Buch über ihn zu schre i ben. Und dabei klingt die morgendliche Szene in der K ü che nun wirklich nicht besonders aufregend.
    Um die Wahrheit zu sagen: Anton war ein ganz norm a ler Junge. Wohnhaft in Wuppertal und vor kurzem zwölf Jahre alt geworden. Mit ein paar Sommersprossen auf der Nase, blauen Augen und einem dunkelblonden Haa r schopf. „So ein hübscher Kerl, ganz die Mama“, pflegte die Nachbarin, die alte Frau Jaschke entzückt zu sagen, wann immer sie sich im Hausflur begegneten.
    Die Wohnung, in der Anton mit seiner Mutter lebte, befand sich im vierten Stock eines schmalen, zehnstöck i gen Mietshauses. Von den Nachbarn sah man nicht viel, und genauso grau wie das Haus sah der ganze Wohnblock aus. Gegenüber stand ein genau gleich aussehendes Haus, und beide schienen ständig damit beschäftigt zu sein, Schatten aufeinander zu werfen. Die kleine Wiese im I n nenhof war der einzige grüne Fleck der Anlage, und nur selten verirrten sich hierhin mal ein paar Sonnenstrahlen. Besonders hübsch war es wirklich nicht. Aber die Miete war günstig. Und das war wichtig. Denn im Hause Pfeiffer fehlte eine Person.
    Antons Vater war Ingenieur gewesen und hatte auf Baustellen nach dem Rechten gesehen. Doch vor vielen Jahren, kurz vor Antons zweitem Geburtstag, hatte es dort einen Unfall gegeben. Und bei dem war sein Vater ums Leben gekommen. Nur die Familienbilder in den Fotoa l ben erinnerten noch an ihn. Einen freundlich blickenden Mann, von dem Anton seine blauen Augen und Somme r sprossen geerbt hatte. Und den aufmüpfigen Charakter, wie seine Mutter gerne seufzend anmerkte.
    Marie Pfeiffer, Antons Mutter, arbeitete solange Anton denken konnte als Verkäuferin im Supermarkt. Die A r beitszeiten waren lang und die Bezahlung schlecht. Tagein, tagaus sortierte sie Obstkästen, klebte Etiketten auf Ka r tons und fuhr mit Scangeräten über Verpackungen. Was für ein Leben. Früher hatte sie viel fröhlicher ausgesehen. Auf den alten Bildern in den Fotoalben. Früher, als A n tons Vater noch da gewesen war.
     
    Trotzdem fand Anton, dass er und seine Mutter das Leben gut im Griff hatten. Keine Frage, sie waren ein g u tes Team. Geld für eine Playstation gab es nicht. Aber das war unwichtig, denn solche Sachen interessierten ihn o h nehin nicht sonderlich.
    Sein Zimmer sah aus wie das Nest einer sammelwüt i gen Leseratte. Nicht besonders groß, aber gemütlich. Und es war von oben bis unten vollgestopft.
    Alte Bücher, neue Bücher, Comics, Märchen, Helde n sagen. In Antons Zimmer konnte man alles finden. Sofern man in der Lage war, bei all den Stapeln und Häufchen den Überblick zu behalten. Gut sortierte Unordnung nannte Anton das. Heilloses Chaos, sagte seine Mutter. Bücherstapel neben dem Bett, Bücherstapel an den Wä n den. In der Luft lag stets ein ganz feiner, holziger Geruch.
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