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Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)

Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)

Titel: Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Autoren: Anne Carina Hashagen
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MONTAG
     
    Am Morgen
     
    Wirklich wichtige Briefe werden nicht mit der Post z u gestellt. Dafür sind sie viel zu besonders. Sie sind auch nicht etwa weiß so wie all die anderen Briefe, die jeden Tag in Millionen stinknormaler Briefkästen landen. Wirklich wichtige Briefe sind hellblau, rechteckig und mit einem kleinen roten Wachssiegel verschlossen, das so edel au s sieht, dass man sich fast nicht traut, den Umschlag aufz u reißen. Die Adresszeile auf so einem Brief ist natürlich nicht computergedruckt. Ganz im Gegenteil. Sie besteht aus wunderschön geschwungenen, schwarzen Tintenbuc h staben, die im Licht leicht glänzen und so aussehen, als hätte der Verfasser, sicherlich ein berühmter Kalligraph oder Schriftsetzer, soeben erst den edlen Füllfederhalter abgesetzt. Solche Briefe gehören nicht in die Hände g e hetzter Postboten. Sie liegen einfach vor der Tür.
    Anton Pfeiffer hatte das Glück, einen solchen Brief e r halten zu haben. Ein sehr seltenes Glück, etwas ganz B e sonderes. Ehrfurchtsvoll wendete er den hellblau changi e renden Umschlag im Licht der flackernden Weihnacht s kerzen und betrachtete die glitzernden Tintenbuchstaben. Hätte man ihm vor einer Woche prophezeit, was er heute in Händen halten würde, hätte er diese Information für schlichtweg unmöglich gehalten. Oder für einen deutlich verspäteten Aprilscherz.
     
    Aber manchmal passieren eben Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat. Und kaum hat man sich versehen, ändert sich alles. Zum Guten oder Schlechten, zum Lan g weiligen oder zum Aufregenden. Wie in Antons Fall. Und manchmal ändert sich nicht nur das Leben, sondern gleich die ganze Welt. Vielleicht, weil man sie jetzt mit anderen Augen betrachtet? Vielleicht aber auch, weil sie immer schon ganz anders war als man dachte.
    In unserem Fall versteht das alles natürlich nur, wer weiß, was in besagter Woche in Antons Leben vorgefallen war. Und daher drehen wir die Zeit sieben Tage zurück.
     
    Anton saß am Küchentisch und rührte in seinem Müsli. Es war Montagmorgen. Und genauso fühlte er sich auch. Er gähnte lange und ausgiebig, nippte an seinem Pfeffe r minztee und beobachtete ein paar im Kreis schwimmende Haferflocken auf der Oberfläche seiner Müslimilch.
    Die Küche war der größte Raum im Hause Pfeiffer. In der Mitte stand ein langer, massiver Küchentisch, zu de s sen gegenüberliegenden Seiten Türen ins Zimmer von Anton und in das seiner Mutter führten. Geradeaus blickte man auf einen kleinen, halb überdachten Balkon und von dort aus auf den Innenhof der Wohnanlage. Die Sonne schien durch die Balkontür und zeichnete ein paar hell schimmernde Flecken auf die Tischplatte. Direkt neben einen kleinen Weihnachtsstern, der etwas verloren vor sich hinwelkte und daran erinnerte, dass in ein paar Tagen das Weihnachtsfest vor der Tür stand.
    Marie Pfeiffer, Antons Mutter, saß am anderen Ende des Küchentisches mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Ihre blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz z u sammengeknotet, und ihre kleinen Augen verrieten, dass sie noch ziemlich müde war.
    Vor ihr auf dem Tisch stand eine hellblaue Untertasse mit einer halb aufgerauchten Zigarette, über der sich eine feine Rauchschwade schlängelte. Anton fischte mit dem Löffel eine Rosine aus seinem Müsli. Dann deutete er vorwurfsvoll auf die zweckentfremdete Unterasse. „Du wolltest doch aufhören, hast du das vergessen?“
    „Das ist die erste heute“, murmelte Marie Pfeiffer, griff die Zigarette und drückte sie in der Mitte der Untertasse aus. „Und es ist die letzte.“ Das klang wie eine Ansage. Dann stellte sie ihre Kaffeetasse auf den Tisch und schaute ihren Sohn an. „Wann ist die Mathearbeit ? Diesen Mit t woch?“
     
    Rums, der hatte gesessen. Mit einem Schlag war A n tons schläfrige Morgendämmrigkeit wie weggeblasen. Kein gutes Thema für einen Montagmorgen. Ganz und gar nicht. Die blöde Mathearbeit . Natürlich hatte er die Vorb e reitung dafür so lange wie möglich vor sich hergeschoben. So lange, dass jetzt noch zwei Tage Zeit zum Lernen bli e ben. Genaugenommen heute und morgen Nachmittag, das musste reichen. Hoffentlich.
    „Ja, Mittwoch“, murmelte Anton und versuchte, ein zuversichtliches Gesicht aufzusetzen. „Mach dir keine Sorgen, das klappt schon.“
    „Du könntest dir wirklich ein bisschen mehr Mühe g e ben“,  seufzte Marie Pfeiffer.
    Mit Unbehagen bemerkte Anton, dass sich die Stirn seiner Mutter in sorgenvolle Querfalten zu legen begann.
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