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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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sanft.
    Er schob Marten zur Tür und gab Ida mit einer kleinen Kopfbewegung zu verstehen, sie möge auf ihn warten. Ida nickte und ließ sich noch einmal auf ihren Stuhl zurücksinken. Nach einer Weile kehrte Amos zurück und setzte sich schweigend auf die Küchenbank. Er schenkte sich Wein ein und sah Ida fragend an. Beide tranken einen Schluck von dem leicht geharzten Wein und saßen in friedlichem Schweigen da.
    »Trinkt er wieder zu viel in der letzten Zeit?«, brach Amos die Stille. Sein faltiges dunkles Gesicht war bekümmert.
    Ida nickte unbehaglich. Es war deutlich, dass der alte Mann sehr an Marten hing, und sie wusste nicht recht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Sie wollte ihn nicht spüren lassen, wie sehr sie Marten verabscheute, aber es widerstrebte ihr, so zu tun, als seien sie die besten Freunde.
    Amos saß mit gesenktem Kopf da. Als er zu sprechen begann, musste sie sich anstrengen, ihn zu verstehen, so leise und wie im Selbstgespräch kamen die Worte aus seinem Mund.
    »Er muss mit dem Trinken aufhören, er bringt sich noch um damit. Ich mache mir Sorgen um ihn, große Sorgen.« Er seufzte und sah auf. Ida sah den feuchten Schimmer in seinen hellen Augen und blinzelte unsicher. Amos lächelte und legte seine faltige Hand auf ihre. »Darf ich dich etwas Persönliches fragen, junger Freund?«
    Ida zögerte kurz, dann nickte sie ergeben. Amos tippte sanft mit seinem Zeigefinger auf ihren Handrücken und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Es klingt vielleicht verrückt, und falls ich mich irren sollte, verzeih mir. Ich bin möglicherweise ein alter Narr, aber ich glaube, dass ihr mich belogen habt.« Er stockte und sah sie verlegen lächelnd an.
    Ida rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. »Inwiefern sollten wir dich belogen haben, Amos?«
    Amos senkte den Blick und rieb sich über den Mund. »Es ist nur – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – Simon hat mir viel über ein Mädchen erzählt, das er einmal gekannt hat.« Er blickte auf und sah Ida um Verzeihung heischend an. »Er hat sie mir recht gut beschrieben, und ich habe mir einige Details gemerkt, weil sie mir so ungewöhnlich erschienen: das dreifarbige Haar und die Augen, die die Farbe wechseln können.« Er verstummte wieder und wedelte verlegen mit der Hand.
    Ida hielt kurz den Atem an und stieß ihn dann mit einem kurzen Lachen wieder aus. »Ich sehe schon, meine Tarnung ist aufgeflogen. Das lässt mich Befürchtungen für meine Zukunft hier im Hort hegen.«
    Amos griff erschrocken nach ihrer Hand und drückte sie fest. »Nein, nein, mein liebes Kind«, beteuerte er. »Niemals käme ein Wort darüber über meine Lippen, das schwöre ich dir. Wenn ihr beide glaubt, dass es so besser für eure Pläne ist, dann werde ich mich nicht dareinmischen. Aber ich wollte nicht die ganze Zeit so tun, als hätte ich nichts bemerkt, das kann ich nicht.« Er räusperte sich verlegen und stand auf, um einen neuen Krug Wein zu holen.
    Ida ließ sich lächelnd in die Lehne sinken. Vielleicht war es besser so. Amos kehrte an den Tisch zurück und sah ihr Lächeln. Erleichtert setzte er sich wieder auf die Bank und schenkte ihnen nach.
    »Simon hat dir von mir erzählt?«, fragte Ida neugierig.
    Amos nickte und hob mit verschmitztem Gesicht die schmalen Schultern. »Du musst Eindruck auf ihn gemacht haben – Ida, nicht wahr? Ida ist doch dein Name? Er hat oft von dir gesprochen. Er trug ständig eine silberne Halskette, und er hat immer behauptet, sie sei von dir.« Amos prustete leise.
    Ida lächelte ein wenig gequält. »Wieso kennst du die beiden so gut?«, lenkte sie ab.
    Amos hob seine buschigen Brauen. »Er hat es dir nicht erzählt?«, fragte er deutlich verwundert.
    Ida grinste schief. »Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit und haben in den letzten Tagen nur das Allernötigste miteinander besprochen«, gab sie zu.
    Amos seufzte wieder. »Er ist unerträglich, wenn er trinkt. Ich habe ihm schon so oft deswegen ins Gewissen geredet, aber er hört nicht auf mich.« Er versank in wehmütiges Grübeln.
    »Amos, du musst mir etwas erklären«, bat Ida. »Die beiden Brüder, Marten und Simon, sie sind nicht besonders gut miteinander ausgekommen, nicht wahr?«
    Amos tauchte aus seinen Gedanken auf und warf ihr einen wachen, fragenden Blick zu. »Aber wie kommst du denn darauf?«, fragte er sichtlich erstaunt. »Die beiden waren ein Herz und eine Seele.«
    »Du kennst Marten schon lange?«
    »Beinahe seit seiner
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