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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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heraus, um ihre Fortschritte zu bestaunen. Jetzt trat er wieder aus der Tür, blinzelte gut gelaunt in den strahlenden Sonnenschein und stellte ein Tablett mit einer üppigen kalten Mahlzeit auf die kleine Bank an der Hauswand.
    »Magst du mir Gesellschaft leisten?«, fragte er mit einer einladenden Handbewegung. »Ich esse nicht gerne allein, und du hast eine Pause verdient.«
    Ida stand auf und reckte ihren schmerzenden Rücken. »Das ist eine gute Idee, Amos«, sagte sie dankbar. Sie wischte ihre erdigen Hände an der Hose ab und setzte sich neben den alten Mann in die Sonne.
    »Erzähl mir«, forderte er sie nach einer Weile des Kauens und wohligen Seufzens auf. Er blinzelte sie an und deutete mit einem abgenagten Hühnerbein auf sie. »Du und Simon – was hat er damals mit dir angestellt?«
    Ida hörte auf zu kauen und blickte etwas verlegen auf ihre nicht allzu sauberen Hände. »Nichts. Er hat mir nichts getan, genau genommen. Wie kommst du darauf?«
    Amos warf den Knochen fort und wischte seine Hände an einem Lappen sauber. »Er hat damals nicht recht mit der Sprache herausgewollt, was er in Sendra angerichtet hat. Ich habe es mehr oder weniger aus ihm herausprügeln müssen.« Er sah ihr verblüfftes Gesicht und lächelte. »Nein, das hört sich schlimmer an, als es war. Genau genommen habe ich ihn nur kräftig ins Gebet genommen, aber die Geschichte, die dabei zum Vorschein kam, war einerseits unerfreulich und andererseits nicht besonders befriedigend. Ich hatte immer das Gefühl, dass er mir einige besonders unappetitliche Details verschwiegen hat.« Er sah sie unter halb gesenkten Lidern vorsichtig an. »Hat er dich – nun ja, ich weiß, dass es mich nicht wirklich etwas angeht, aber es beschäftigt mich schon so lange; also, hat er dich – hrrm ...« Er verstummte verlegen und griff nach einem schrumpeligen Winterapfel und einem Messer.
    Ida stöhnte leise und legte den Kopf an die raue, sonnenwarme Hauswand. Sie blinzelte in den hellen Himmel und begann zu lachen. Amos zog unbehaglich die Schultern hoch und hielt in der ordentlichen Zerteilung des Apfels einen Moment lang inne.
    »Entschuldige«, krächzte Ida. Sie wischte sich die Augen trocken. »Aber du bist nicht der Erste, der mich das fragt. Ich weiß ja, dass Simon einen üblen Ruf hatte, aber ganz so wild, wie du glaubst, hat er es wohl doch nicht getrieben. Er hat sich damit begnügt, meine ältere Schwester und die hübschesten unserer Mägde auf den Rücken zu legen, bei mir war er etwas vorsichtiger. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass ich so ganz seinem Geschmack entsprochen habe, Amos.«
    Der alte Mann blickte peinlich berührt zu Boden. Sein faltiges Gesicht war leicht gerötet. »Danke für die Auskunft«, murmelte er. »Aber was sollte die Geschichte mit der Kette? Er hat sie ständig bei sich getragen und allen erzählt, dass sie seiner Verlobten gehöre.«
    Ida erklärte ihm in kurzen Worten, wie das zustande gekommen war. Amos wirkte deutlich erleichtert, aber immer noch verwirrt. Er brummelte kaum verständlich vor sich hin. »Verstehe ich nicht. Wieso bringt er dich dann her ... Hat er noch nie getan, noch nie ...« Sein Murmeln verebbte. Er fragte laut und deutlich: »Du kannst ihn nicht besonders gut leiden, hm? Ich bin schließlich weder blind noch schwachsinnig.«
    Ida sah ihn verständnislos an. »Wen?«, fragte sie ratlos. »Simon? Nein, ich hab ihn recht gerne gemocht, er war immer ausgesprochen nett zu mir.«
    »Ja, natürlich, Simon«, sagte der Alte. Dann schüttelte er erbost den Kopf und begann, das schmutzige Geschirr zusammenzuräumen. »Natürlich nicht Simon! Bei den Schöpfern, ich werde doch langsam senil. Marten natürlich, wir haben doch die ganze Zeit von Marten gesprochen.«
    »Wir haben von Simon gesprochen, von Martens totem Bruder«, erinnerte Ida den verwirrten kleinen Mann sanft. Amos stand da, die Hände um das Tablett gekrampft und schien mit den Tränen zu kämpfen.
    »Simon, ja«, stammelte er. »Simon ist tot und Marten lebt. Manchmal ... manchmal bilde ich mir wohl ein, es wäre umgekehrt ...« Er wandte sich hastig ab und verschwand im Inneren des Hauses.
    Ida sah ihm nach und kniff nachdenklich die Lippen zusammen. Der absurde Verdacht, der sich seit einiger Zeit in ihr regte, schien sich immer mehr zu bestätigen. Sie schüttelte schwach den Kopf und wandte sich wieder den verwahrlosten Beeten zu. Arbeit war immer noch eine der besten Methoden, den Kopf freizubekommen. Das Gespräch mit
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