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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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Bauch, ehe er seine Tunika aufhob. »Du wirst dich dem Herd auch nicht auf zehn Schritte nähern, versprich mir das, Prinzessin.« Er schüttelte sich angewidert. »Wie konnte deine ehrenwerte Tante nur bei den wesentlichsten Teilen deiner Erziehung derart schmählich versagen?«, murmelte er mit ungläubigem Entsetzen in der Stimme. Ida lachte und hob die Hacke auf, um sie in dem kleinen Geräteschuppen am Haus zu verstauen.

    Sie wusch sich gründlich und schlüpfte in saubere Kleider, ehe sie trotz Martens Warnung, sich dem Herd zu nähern, hinunter in die Küche ging. Amos hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen und schlief. Ida hockte sich auf die Tischkante und sah Marten bei seiner Arbeit zu. Er hackte Kräuter und summte leise im Duett mit dem Wasserkessel vor sich hin.
    »Edler Ritter?«, fragte Ida leise.
    »Holde Prinzessin?«
    »Wann werde ich die Khanÿ treffen?«
    »Morgen.«
    »Was hast du ihr gesagt?«
    Marten fegte die Kräuter in eine Schüssel und griff nach den Zwiebeln. »Nichts«, erwiderte er, während er sie schälte und in Stücke zerteilte. »Ich habe sie nicht zu Gesicht bekommen, sie war unterwegs. Ich habe heute nur mit einem ihrer Männer sprechen können.« Er drehte den Kopf, um sie anzusehen, und zwinkerte ihr zu. »Er hat mir dringend angeraten, mich aus dem Staub zu machen, ehe sie mich erwischt. Storn war da und hat sich lange mit ihr besprochen, und danach war sie dem Vernehmen nach ungemein schlechter Laune. Die Jungs haben Wetten darüber abgeschlossen, ob sie mich erst anhört oder mir direkt die Haut abzieht.« Er lachte grimmig auf und warf die Zwiebelstücke in heißes Fett.
    Ida saugte nachdenklich an ihren Zähnen. »Was bedeutet das für mich?«, fragte sie mitleidlos.
    »Nichts, worüber du dir deinen Kopf zerbrechen müsstest.« Marten schlug Eier in eine Schüssel und rührte sie kräftig durch. »Ich habe für morgen ein Treffen mit ihr ausgemacht und schleppe dich einfach mit an. Vielleicht gibt sie uns sogar die Gelegenheit, ein paar Worte mit ihr zu wechseln, ehe sie uns exekutiert.« Er sah Ida nicht an, aber seine Schultern zuckten leise, und das Beben in seiner Stimme war nicht zu überhören. Ida spuckte erbost aus.
    »Hauptsache, du amüsierst dich, richtig?«, fauchte sie. Marten kicherte und schüttete die Eimasse in die heiße Pfanne.
    Bis zum Essen wechselten sie kein Wort mehr miteinander. Ida deckte stumm den Tisch, und Marten ging, um Amos zu wecken. Der Alte war still und nachdenklich. Ida sah, wie Martens Mondgesicht sich besorgt bewölkte. Sie verabschiedete sich früh, müde von der Arbeit im Garten. Marten nickte ihr nur knapp zu. Er war neben den alten Mann gerückt und hatte seinen schweren Arm um dessen schmale Schultern gelegt. Noch während Ida knochenmüde die steile Treppe erklomm, hörte sie die tiefe Stimme Martens in der Küche gedämpft und beruhigend vor sich hinbrummen.

    Am Morgen erschien Marten schon weitaus weniger wohlgemut. Ida fand sogar, dass er ein wenig kleinlaut aussah und allem Anschein nach nicht gerade hoffnungsfroh auf die anstehende Unternehmung blickte.
    Sie verließen zeitig das Haus, weil die Khanÿ, wie Marten bemerkte, nicht gerne auf jemanden wartete, und er keinerlei Lust verspüre, sie unnötig noch mehr zu verärgern. Bei ihrem Fußweg durch die ruhigen Straßen der Stadt schien Martens Unruhe noch zu wachsen. Er blickte sich häufig um, musterte die abweisend geschlossenen Läden der Fenster und die hohen Mauern der Häuser und warf Blicke in jede kleine Gasse, an der sie vorbeikamen. Sein Blick war finster und seine Miene grimmig.
    »Ist es hier immer so ruhig?«, fragte Ida nach einer Weile, weil sie an das Getriebe denken musste, das in Nortenne gerade zu früher Morgenstunde herrschte.
    Marten schüttelte nur stumm und abweisend den Kopf. Ida schnalzte mit der Zunge und verzichtete angesichts der üblen Laune des Dicken lieber auf weitere Versuche, ein Gespräch zu beginnen.
    Endlich, als Ida begann, sich zu fragen, warum sie für den langen Weg nicht die Pferde aus dem Stall geholt hatten, hielt Marten vor einem Haus an, das nicht anders aussah als all die anderen schweigenden, abweisend geschlossenen Häuser, die sie auf ihrem Weg passiert hatten. Marten hob einen Finger an die Lippen und pochte an die Tür. Eine kleine Luke schob sich auf. Ida sah ein dunkles Auge und ein Stück einer Adlernase. Das Auge blinzelte, die Luke klappte zu, und wenig später erklang das Geräusch sich zurückschiebender
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