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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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schwieg einige Sekunden lang. Dann seufzte sie und sagte unwillig: »Ich schätze eigentlich keine solchen Verknüpfungen von Arbeit und Privatleben, Marty, das solltest du doch wissen. Wir haben damals entschieden, dass das, was wir tun, zu riskant ist, um die Menschen, die wir lieben, mit hineinzuziehen. Glaubst du jetzt, dass die Entscheidung falsch war?«
    »Ja und nein«, antwortete Marten bedächtig. »Du selbst bist von der Regel schon abgewichen, als du die Hilfe deiner Freundin in Seeland akzeptiert hast. Gut, wir hatten damals kaum eine andere Wahl, weil wir sie und ihr Haus als Stützpunkt dringend nötig hatten. Ich denke allerdings, wir sollten die Entscheidung darüber, ob es ihnen zu gefährlich ist, den Betreffenden selbst überlassen.« Ein Stuhl ächzte, und schwere Schritte näherten sich der Tür. Ida stand hastig auf. »Warum unterhältst du dich darüber nicht mit meinem Freund persönlich? Komm herein, Stefan.«
    Marten öffnete mit einem Zwinkern die Tür. Ida hörte die Khanÿ aufschreien: »Marten, bist du wahnsinnig geworden?« Martens mächtige Figur versperrte ihr den Blick ins Innere des Zimmers. Seine Gesprächspartnerin war nach dem ergrimmten Ausruf angesichts der unabwendbaren Tatsache von Idas Anwesenheit verstummt und knurrte nun missmutig: »Also meinetwegen. Kommt herein, lasst uns reden.«
    Marten grinste breit und trat beiseite. Ida sah die unerwartet kleine, stämmige Frau, die mit halb abgewandtem Gesicht am Fenster stand und verharrte. Sie erfasste mit einem Blick die grimmige Linie des Unterkiefers und die Narbe, die sich über den herben Wangenknochen zog, die kurzen, grauen Haare, die abweisend verschränkten, kräftigen Unterarme und stieß ein schreckhaftes Ächzen aus. Die Khanÿ wandte den Kopf. Ihre hellen Augen weiteten sich ungläubig. Sie griff nach der Lehne ihres Stuhls und packte sie, als wollte sie das Holz mit ihrem Griff zermalmen. »Verdammt, Marten«, zischte sie. »Wie konntest du mir das antun? Wieso hast du sie hergebracht?«
    »Sie wollte dich unbedingt kennen lernen, stimmt es nicht, Prinzessin?«, erwiderte Marten unbewegt. Er schien die Situation als Einziger weidlich zu genießen.
    »Schaff sie sofort hier raus!«
    »Hältst du das für klug?«, fragte Marten, der wie ein menschlicher Berg hinter Ida aufragte. Ida tastete sich mit weichen Knien zum nächst gelegenen Stuhl und sank auf ihm nieder, ohne die Khanÿ aus den Augen zu lassen. Die stand da, weiß vor Zorn, und funkelte Marten an. Er erwiderte den Furcht erregenden Blick mit leisem Spott.
    Die Khanÿ riss ihre Augen von seinem Mondgesicht los und richtete sie auf Ida. »Es ist besser, du gehst«, sagte sie mühsam beherrscht. »Bitte, Ida. Geh und vergiss, was du hier gesehen hast.«
    Ida schluckte schwer. »Ich gehe nicht«, sagte sie mühsam. »Ich gehe nicht, ehe ihr mir nicht erklärt habt, was das alles hier zu bedeuten hat.«
    Marten schnaufte zufrieden und setzte sich hin. Die Khanÿ blickte von ihm zu Ida und klatschte mit der Hand auf die Stuhllehne. Sie lachte böse auf und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. »Also bitte, wenn es dich so drängt. Warum bist du hier?« Ihre Stimme klang beißend vor Spott. Ida blickte sie hilflos an und suchte in dem dunklen Gesicht nach der Spur einer anderen Gefühlsregung außer der unerbittlichen Härte, die es ihr zeigte. Doch es zeigte sich weder Bedauern noch Mitleid oder gar Freundschaft in den erbarmungslosen Linien des Mundes und des stur vorgereckten Kinnes. Ida schluckte bitter und sah auf ihre ineinander verklammerten Hände hinab, um dem kalten Blick der hellen Augen zu entgehen.
    »Ich bin hier, weil ich feststellen wollte, wer hinter dieser üblen Organisation steckt, damit ich ihm – ihr – das Handwerk legen kann«, sagte sie mit flacher, tonloser Stimme. »Ich war fest entschlossen, mich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass dieser widerliche Handel ein Ende hat. Ich bin immer noch dazu entschlossen.«
    Sie sah auf und bemerkte den schnellen Blick, den die Khanÿ mit Marten wechselte. Für einen kurzen Moment wirkte sie beinahe entspannt, dann verschloss sich das herbe Gesicht wieder. »Gut, dann bin ich jetzt ja gewarnt«, sagte sie eisig. »Marten, wir haben noch miteinander zu reden, wenn das hier vorbei ist. Ich verspreche dir, Freund, wenn du dir so etwas noch einmal leisten solltest, schneide ich dir die Eier mit einem stumpfen Messer ab und serviere sie dir zum Frühstück. Jetzt schaff sie mir vom
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