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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
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konnte sagen: »Gar nichts, Liebster, ihr habt mir nur gefehlt.«
    Und zusammen gingen sie aus dem Bahnhof hinaus.

Nachbemerkung der Autorin
    Die Insel Seil liegt, nur durch einen schmalen Wasserstreifen vom Festland getrennt, vor der Westküste Schottlands. Sie gehört zu einer Gruppe Schieferinseln, die sich durch schwarze Strände und schwarzes Gestein auszeichnen, und der kleine Hafen Ellenabeich wird denn auch von einem hoch aufragenden schwarzen Felsen beherrscht. Die Dächer der weißen Häuser zu seinen Füßen sind aus Schiefer, genau wie die Hafenmauer. Lange Zeit wurde die Geschichte der Insel von der Schieferindustrie bestimmt, die ihre Blütezeit im neunzehnten Jahrhundert erlebte, in den 1950er Jahren jedoch, der Zeit, in der An einem Tag im Winter spielt, längst alle Bedeutung verloren hatte. Die einstigen Schieferbrüche an der Küste sind heute Meerwasserseen, und über die verfallenen Häuser, in denen früher die Arbeiter lebten, zieht sich vielfarbig blühendes Grün.
    Ich habe diese Inseln immer geliebt. Jede von ihnen bildet eine eigene Welt, und weil sie so klein sind, hat man das Gefühl, sie mit der Zeit wirklich kennenlernen zu können. Die Inseln, auf denen ich als Kind die Ferien verbrachte – die Isle of Wight vor der Südküste Englands, Jersey und die Kanalinseln –, vereinigen in sich alle Vorzüge Südenglands: Strände, Wiesen und bewaldete Täler. Die ferner gelegenen Inseln, die ich als Erwachsene entdeckte – Sri Lanka, Madeira, Malta und die Kanaren –, sind unwirklich wie Träume in ihrer tropischen und subtropischen Vielfalt.
    Weit über hundert Inseln bilden den Archipel der Inneren und der Äußeren Hebriden vor der Westküste Schottlands. Einige von ihnen sind bewohnt, viele sind es nicht. Von Cambridge aus, wo ich lebe, ist es eine weite Reise zu den Äußeren Hebriden, mit dem Auto zwei Tage. Paris ist viel leichter zu erreichen. Meinen ersten Versuch, die Insel Seil zu besuchen, musste ich aufgeben, nachdem ich mir in Glasgow beim Überqueren einer Straße eine Muskelzerrung im Bein zugezogen hatte. Einige Monate später unternahmen wir den nächsten Versuch. Diesmal übernachteten wir in Nordengland bei meinem Bruder und passierten (wie mein Aberglaube gebot) Glasgow ohne Aufenthalt. Am Loch Lomond entlang fuhren wir Richtung Oban und gelangten über die alte Steinbrücke, die das Wasser zwischen dem Festland und der Insel überspannt, nach Seil.
    Wir wohnten in einer Pension in Ellenabeich, dem Hafenstädtchen, das der nur wenige Kilometer entfernten winzigen Insel Easdale gegenüber liegt. Easdale kann man zu Fuß in einer Stunde umrunden. Später setzten wir mit der Autofähre nach Luing über, eine der größeren Schieferinseln. Jede Insel, gleich, wie klein, zeichnet sich durch ihre eigene Atmosphäre aus. Easdale empfing uns bei strahlendem Licht mit glitzerndem Wasser und der Farbenpracht wilder Blumen. Seil zeigte sich, mitten im Hochsommer, einladend und voller Liebreiz. Luing wirkte abweisend unter schweren Wolken, die mit den grauen Inseln am Horizont verschmolzen. Verrostete alte Boote und Betonklötze markierten die Stellen, wo einst geschäftige Häfen gewesen waren. Unter den Grabsteinen auf dem Friedhof von Luing befindet sich der eines Predigers aus dem achtzehnten Jahrhundert, der alle Mitglieder seiner Sekte verbannte, weil sie sich nicht streng genug an die Regeln hielten.
    Die Faszination dieser Inseln beruht auf dem Gefühl von Frieden und Zeitlosigkeit, das sie hervorrufen, sowie ihrer unmittelbaren Verbindung mit den Elementen. Der Tageslauf der Menschen wird hier, viel stärker als in der Stadt, von der Witterung bestimmt. Auf Seil, Easdale und Luing mit ihren weiten Horizonten meint man, über den Atlantik hinweg bis nach Amerika sehen zu können. Um auf einer solchen Insel leben zu können, müssen die Menschen robust und widerstandsfähig sein, selbstständig und stark genug, um über die Winter zu kommen, in denen sie manchmal tage-, wenn nicht wochenlang vom Festland abgeschnitten sind. Schwierige Lebensbedingungen und Isolation können Zusammenhalt schaffen, doch mitunter bringen sie auch Sonderlinge wie den Prediger von der Insel Luing hervor, die, wenn sie über eine entsprechend starke Persönlichkeit verfügen, andere leicht in ihren Bann ziehen. In An einem Tag im Winter
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