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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
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wusste sie schon, dass sich niemand melden würde. Kriminalbeamter von Scotland Yard angeschossen … in kritischem Zustand … Bandenschießerei . Scotland Yard hatte viele Beamte, sagte sie sich; es gab keinen konkreten Grund zu der Annahme, dass der Verwundete Riley war.
    Trotzdem brachte sie ihr Mittagessen nicht hinunter, und nachdem sie es weggestellt hatte, suchte sie im Telefonbuch die Nummer des St. Thomas Hospital heraus und legte sich eine kleine Lügengeschichte zurecht. Es dauerte ewig, bis sie verbunden wurde, ihr Mund wurde trocken, und sie wickelte sich das Telefonkabel um den Finger, während sie wartete. Endlich sagte eine Schwester der Männerchirurgie: »Mr. Rileys Schwester, sagten Sie? Die Kugel musste operativ entfernt werden. Sein Zustand ist stabil. Besuchszeit ist zwischen zwei und drei. Aber immer nur ein Familienangehöriger, Miss Riley, alles andere wäre im Moment noch zu anstrengend.«
    In der Nacht war er aufgewacht und hatte seine Zehen bewegt, um sicher zu sein, dass seine Beine noch funktionierten. Es war dunkel, und neben dem Nachbarbett sprachen leise ein Arzt und eine Schwester miteinander. Er merkte, wie unendlich glücklich er war, noch am Leben zu sein. Dann leuchtete ihm ein Arzt im weißen Kittel mit einer kleinen Lampe in die Augen, was ihn an Lee Carter und den Tunnel erinnerte. Der Arzt fragte: »Wo sind Sie, Mr. Riley?«, und Riley überlegte, wie die Frage gemeint war. Offensichtlich befand er sich in einem Krankenhaus, aber vielleicht bezog sich der Arzt auf sein Leben. An einem Scheideweg, hätte er am liebsten gesagt, doch dann antwortete er: »Im Krankenhaus.« Dann schloss er die Augen und schlief wieder ein.
    Als er das nächste Mal erwachte, war es heller Tag. Im Korridor klapperten Servierwagen, und es roch nach Schulessen. Eine Schwester fühlte seinen Puls, maß die Temperatur und schüttelte seine Kissen und Decken auf. Er wollte sie darum bitten, jemandem etwas auszurichten, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wem und was.
    Die meiste Zeit schlief er. Der Schlaf hielt den Schmerz fern. Einmal, als er wach wurde, sah er Basil an seinem Bett sitzen, der ihm erklärte, dass Annie ihn nicht besuchen dürfe, doch die Kleine sei gesund und munter, Vera passe auf sie auf.
    Er musste wieder eingedämmert sein, denn als Nächstes hörte er die empörte Stimme einer Schwester. »Die sind für den Patienten , Sir.«
    Davies saß kauend an seinem Bett. »Ein paar Trauben können Sie doch entbehren, oder?«, fragte er seinen Vorgesetzten kleinlaut.
    Riley hievte sich hoch und unterdrückte ein Stöhnen.
    Â»Sie hätten auf mich warten sollen, Sir«, sagte Davies. »Ich war schon unterwegs.«
    Â»Haben Sie Carter festgenommen?«
    Â»Das habe ich. Er wird des versuchten Mordes und des illegalen Waffenbesitzes beschuldigt.«
    Â»Und Perlman und Rossiter?«
    Â»Die werden im Augenblick befragt. Und ein paar andere haben wir auch schon in Gewahrsam. Perlmans Buchhalter, Gerry Marks, hat uns einige interessante Dinge über den Mann aus dem Lagerhaus in der Great Dover Street erzählt.« Davies warf der Schwester, die ihn immer noch empört beobachtete, einen Blick zu. »Ich gehe jetzt besser«, sagte er an Riley gewandt, »sonst kriege ich gleich die nächste Gardinenpredigt.«
    Danach versuchte Riley, wach zu bleiben, doch der Schlaf ließ sich nicht besiegen. Er träumte von Knochen, die wie weiße Porzellanscherben unter totem Laub hervorschimmerten. Immer noch bedrängte ihn etwas, das er unbedingt mitteilen musste. Er kämpfte damit, als plötzlich etwas Weiches, Kühles seine Hand streichelte.
    Als er die Augen öffnete, erblickte er Ellen. Sie sagte: »Hallo, Riley«, neigte sich zu ihm hinunter und küsste leicht seinen Mund. »Ich habe es eben erst erfahren. Leider habe ich dir nichts mitgebracht.«
    Sie setzte sich an sein Bett – der einzige lohnenswerte Anblick in diesem tristen Krankenzimmer. Die Uhr über der Tür zeigte, dass von der Besuchszeit nur noch fünf Minuten übrig waren.
    Â»Ich liebe dich, Ellen«, sagte er rasch. »Wahrscheinlich vergesse ich gleich, dass ich’s gesagt habe, und sag es dir morgen wieder. Aber weißt du was, ich sag’s dir einfach jeden Tag, dann wissen wir, dass alles gut ist, einverstanden? Sobald ich die Scheidung geregelt habe, möchte ich
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