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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
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dich heiraten, Ellen. Du hast es dir doch nicht anders überlegt?«
    Â»Nein.« Sie hatte Tränen in den Augen, aber sie lächelte. Mit den Fingerrücken streichelte sie sein Gesicht. »Nein, ich habe es mir nicht anders überlegt. Nur eins noch.«
    Â»Ja?«
    Â»Wenn wir jetzt heiraten, sollte ich dich vielleicht John nennen. Riley  – das klingt doch ein bisschen unpersönlich. Wäre dir das recht?«
    Â»Ja«, sagte er.
    Sie sah ihn lächelnd an und hielt seine Hand. Er war sehr müde, und als er sprechen wollte, sagte sie leise: »Pscht, John. Das kann warten. Ruh dich jetzt erst mal aus.«
    India blieb in Medway in dem kleinen Motel. Ihr gefielen das dünne Licht und der abgestandene, leicht salzige Geruch des Wassers. Ihr gefielen die Boote, die an den Ufern vertäut waren, mit ihrem blätternden Anstrich und ihren tuckernden Motoren, und sie lernte die Stille dieses Orts lieben, die Abende mit Abigail in ihrem Zimmer, die langen Spaziergänge am Fluss. Sie wollte einen Winter in diesem abgelegenen Ort verbringen, um sich zu prüfen, wollte lernen, Langeweile und Einsamkeit zu ertragen, wollte die Frau werden, die Abigail eine gute Mutter sein konnte. Sie beobachtete ihre Tochter aufmerksam; das Kind blieb gesund und lernte täglich Neues.
    Sie freundete sich mit der Empfangsdame des Motels an, die Karen hieß. Karen erwähnte, dass es im Restaurant an Personal fehlte, und India erbot sich einzuspringen. Während Karen in der Rezeption auf Abigail aufpasste, servierte India hungrigen Holzfällern, Lastwagenfahrern und gelegentlichen Wanderern Hackbraten und Hamburger.
    Sie schrieb nach England, an Sebastian und Ellen. Sie schrieb Marcus, um ihn wissen zu lassen, wo sie sich aufhielt, und berichtete von ihrem Gespräch mit Kitty Michaud.
    Eine Woche später traf er in Medway ein. Er bat sie, wieder nach Hause zu kommen. Er bat sie, zu ihm zurückzukehren.
    Â»Ich kann nicht«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
    Sie saßen in ihrem Motelzimmer. Draußen glänzte das Licht des Vollmonds auf den geparkten Autos.
    Â»Ich weiß, dass du mich nicht liebst«, sagte er, »aber damit kann ich leben. Wenn es wegen des Kindes ist …« Er blickte zu Abigail hinunter, die in ihrem Tragekorb schlief. »Ich war damals mit Rowena genauso, als sie noch ein Säugling war. Jetzt, wo du weißt, was passiert ist, musst du das doch verstehen.«
    Â»Du hattest Angst davor, sie zu lieben, weil du Angst hattest, sie könnte auch krank werden.«
    Â»Meiner Meinung nach ist das Leiden erblich, verstehst du. Und ausgerechnet den Erbkrankheiten hatte von Anfang an mein großes Interesse gegolten. Wenn das keine Ironie ist. Anfangs war ich fasziniert von ihren Gesetzmäßigkeiten, von der Symmetrie und Vorhersehbarkeit ihres Auftretens, von den Erkenntnissen, die sie uns über die Vererbung bringen können. Und als es dann meinen Sohn getroffen hat, war ich wie besessen von dem Gedanken, dass es ein Heilmittel geben und ich es finden müsse.« Wieder flog sein Blick zu dem schlafenden Kind. »Ich habe sofort gemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ich habe es gesehen.«
    Â»Er war dein Sohn, Marcus.«
    Â»Der Gedanke, dass Rosanne und ich ein solches Kind in die Welt gesetzt hatten …« Er griff sich an die Stirn. »Natürlich war ich mir nicht sicher. Natürlich habe ich gehofft, dass ich mich irre. Aber mit der Zeit wurde der Zustand dieses Kindes immer offenkundiger. Und wenn das Leiden erblich ist, wie ich glaube, dann bin vielleicht ich der Träger. Seither muss ich mit dem Wissen leben, dass ich diese Krankheit, diesen Fluch, womöglich an die nächste Generation weitergeben werde. Ich wollte niemals ein Kind mit Alison, aber sie hätte mich nicht geheiratet, wenn ich nicht eingewilligt hätte. Gott sei Dank ist Rowena gesund.« Er seufzte. »Ich wusste, dass es unwahrscheinlich war, dass aus der Ehe mit einer anderen Frau noch einmal ein krankes Kind hervorgeht. Wenn Krankheiten nach den Gesetzen vererbt werden, wie ich sie vermute, müssen Rosanne und ich beide Träger gewesen sein. Es war immer unwahrscheinlich, dass Alison mit demselben fehlerhaften Gen belastet ist. Oder du, India. Aber die Möglichkeit war trotzdem da.«
    Â»Also hast du die ganze Geschichte begraben und so getan, als wäre sie nie passiert.«
    Â»Ich habe meine Frau beerdigt, ich habe
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