Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman
Autoren: E. O. Wilson
Vom Netzwerk:
heute nicht mehr so ausspricht, aber wir denken so. Echte Männer jagen, echte Männer machen die Beute ausfindig, und echte Männer drücken ab. Weibische und behinderte Männer bleiben im Lager zurück und kochen das Fleisch.
    An diesem Morgen bog Ainesley mit seinem Pickup kurz nach der Bezirksgrenze von der Alabama 128 auf einen grasbewachsenen Feldweg ab. Auf den meisten Straßenkarten existierte er gar nicht; in einer geschwungenen Linie verlief er durch drei Meilen Sumpfeichenwald. Auf beiden Seiten lagen vereinzelte Überreste von verlassenen Pachthöfen. Die meisten Bewohner waren fast ein halbes Jahrhundert zuvor weggezogen, als es in den Städten im Süden während des Zweiten Weltkriegs im Schiffsbau oder anderswo bessere Arbeit gab. Egal, ob schwarz oder weiß, sie alle entkamen damit jedenfalls der aufreibenden Schuldknechtschaft auf den immer gleichen Feldern.
    Weil es anderswo andere Gelegenheiten gab, sprengten diese Auswanderer die entwürdigenden Ketten der Landpacht. Sie gingen ohne Reue, denn sie hatten weder das Ackerland noch auch nur die Häuser, in denen sie wohnten, je selbst besessen. Jetzt bröckelten an den Häusern die Dächer und stürzten ein, und die Veranden bogen sich bis zum Boden durch. Die schmächtigen Sämlinge, die in den verlassenen Gärten Wurzeln geschlagen hatten, waren zu ansehnlichen Bäumen herangewachsen. Die letzten Überreste von alten Autowracks, die in den Vorgärten liegen gelassen worden waren, hatte man zum Verschrotten weggeschleppt. Plumpsklos und Hühnerställe im Hintergarten dienten nicht länger als Brutstätten für Schmeißfliegen und Mistkäfer.
    «Gute Gegend für Hirsche und Truthähne», sagte Ainesley.
    Das Land, in das sie vordrangen, durchzog ein Gewirr überwucherter Forstwege und unbenutzter Fußpfade. Kaum einer führte zu einem erkennbaren Ziel, die meisten endeten stattdessen in flachen, regengefüllten Gräben. Die Wildtruthähne und Weißwedelhirsche, die hier heimisch waren, waren so stark überjagt worden, dass sie inzwischen relativ rar waren, aber es gab noch genügend, die frei herumliefen, so dass die Chancen für einen eintägigen Jagdausflug ganz gut standen.
    Nach einer Meile auf dieser löchrigen Straße drosselte Ainesley den Pickup und steuerte auf einen fast unsichtbaren Forstweg. Zentimeterweise arbeitete er sich noch knapp fünfzig Meter voran, dann hielt er. Er öffnete die Fahrertür und kletterte hinaus. Er räusperte sich, spuckte und krempelte seine Hosen hoch.
    «Sieht gut aus», sagte er zu den Jungen. «Heute erwischenwir was. Aber erst einmal heißt’s anpacken. Also los, Hintern hoch!»
    Er ließ die Jungen auf der anderen Seite hinaus, und während er den Pfad hinaufspähte, stimmte er den hehren Spruch des Naturburschen an. «Seh noch nichts, aber da hinten sind sie. Leer ist ein Wald bloß für miserable Jäger.»
    «Ich muss mal», sagte Junior.
    «Ich auch», sagte Raphael.
    Ainesley nickte zustimmend. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich an einen Kotflügel seines Wagens, während die Jungen ein paar Meter ins Gebüsch gingen. Als sie zurück waren, warf Ainesley die noch brennende Kippe neben den Pfad und ging zum Heck des Pickups. Er löste die Plane und zog eine Schrotflinte mit Kipplaufverschluss hervor. Sie sah so alt aus, dass es wohl ein Familienerbstück sein musste.
    «Und jetzt, Jungs, müsst ihr zunächst lernen, wie ihr sicher mit eurer Waffe umgeht.»
    Raphael hörte nur halb hin. Er beobachtete Ainesleys Zigarette. Als die trockenen Eichenblätter, zwischen denen sie lag, gnädigerweise nicht Feuer fingen, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Vater.
    «Als Erstes kippen wir den Lauf, so, und prüfen ihn. Kommt mal her und seht, wie ich alles geputzt und geölt habe, nachdem ich sie das letzte Mal verwendet hatte.»
    Zu Raff, der sich abseits hielt, sagte er: «Sohn, was zur Hölle ist mit dir los? Los, komm rüber wie Junior und schau mal.»
    Die Jungen beugten sich vor und spähten durch den Gewehrlauf. Raff blickte den Griff hinauf und hinunter und versuchte sich vorzustellen, wo die Munition war.
    «Okay, als Nächstes laden wir.»
    Ainesley fasste in eine Tasche seiner wasserdichten gelben Jagdjacke und zog zwei zylindrische Patronen der Schrotstärke 5 heraus. Er hielt sie in die Luft, damit die Jungen sie sehen und in die Patronenlager stecken konnten. Er tönte: «Dann schließen wir den Lauf», und ließ ihn einrasten. Er zielte mit der Flinte von den Jungen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher