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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman
Autoren: E. O. Wilson
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nicht vorstellen konnte. Ainesley und Junior bemerkten ihn gar nicht, und Junior wäre fast daraufgetreten.
    Als Nächstes erschrak Raff beim Anblick einer Kutscherpeitschennatter. Die elegante gelbbraune Schlange mit schwarzem Kopf war deutlich über einen Meter lang und kroch durch einen Streifen knöchelhohes Gras vorihnen neben dem Pfad. Ihr Kopf war erhoben, wie bei diesen Nattern üblich, wenn sie Mäuse oder andere Kleintiere jagen. Als die Jäger näher kamen, zog die Schlange ihren Kopf zurück und verschwand. Die anderen hatten sie ganz verpasst, und Raff war froh darüber. Er sagte nichts, denn sonst wäre womöglich Ainesley stehen geblieben und hätte sie mit seinem Gewehr weggeblasen.
    Erneut ging es eine halbe Meile weiter, als Führer des Trios Ainesley, der nach allen Seiten Ausschau hielt. Noch immer war nirgends Wild in Sicht. Plötzlich ließ sich Ainesley auf einen umgestürzten Kiefernstamm fallen, der am Wegrand lag. Entsetzt merkte Raff, dass sein Atem in kurzen Stößen ging.
    «Ich glaube, wir sollten uns auf den Heimweg machen», sagte Ainesley mehr zu sich selbst als zu den Jungen. «Ich fühle mich heute nicht so besonders, und hier sind sowieso längst nicht mehr so viele Truthähne unterwegs wie früher mal. Da sind einfach zu viele gottverdammte Jäger von auswärts unterwegs, entschuldigt meine Ausdrucksweise. Die dezimieren uns das Wild. Vielleicht müsste die Regierung mal junge Truthähne züchten und sie hier im Wald wieder freilassen, so wie sie Forellen und solche Fische in den Seen halten. Damit endlich mal was Vernünftiges mit meinen Steuern geschieht.»
    Damit machte sich Ainesley zurück Richtung Ausgangspunkt, aber diesmal merklich langsamer als auf dem Hinweg. Raff ging nah hinter ihm, er war jetzt entspannt, kickte ziellos Kiefernzapfen vom Weg und dachte, Dad hat sich heute auch nicht besonders gut angestellt. Vielleicht nimmt er es mir am Ende doch nicht so übel.
    Zurück beim Pickup, schickte Ainesley die Jungen noch einmal zum Pinkeln, damit sie später nicht müssten. Dann verräumte er die Flinte und zog an einer letzten Zigarette, während er wartete. Sie kletterten alle in die Fahrerkabine, Raff zwängte sich in die Mitte, und begannen ihre einstündige Fahrt auf der zweispurigen Alabama 128 zurück nach Clayville.
    Auf halber Strecke verkündete Ainesley, sie würden bei einer Farm halten und ein Perlhuhn holen. Er bog ab zu dem sauberen, frisch gestrichenen Wohnhaus. Gleich links davon war ein Maisfeld, im Hof pickende Hühner, zwei träge Basset Hounds auf der Veranda, und ein großes Schild vorne an der Straße, auf dem stand JESUS ERLÖST.
    «Hier holen wir unser Abendessen», sagte Ainesley. Er kletterte aus dem Wagen und überquerte den Hof. Auf der Veranda ging er um die Hunde herum, von denen einer aufstand und ein einziges
Wuff!
losließ, bevor er sich wieder legte. Ainesley klopfte. Eine Stimme rief «Herein!», und er schob die Tür auf und trat ein.
    Etwa zehn Minuten später kam Ainesley mit einem stämmigen Mann um die sechzig zurück – sein Alter war schwer zu schätzen. Er trug Shorts, knöchelhohe Stiefel und ein T-Shirt mit einem verblichenen Palmenlogo und dem Wort ARUBA.
    Ainesley ging ans Heck des Pickups, während der Mann wartete, schlug wieder die Plane zurück und holte diesmal eine Einzelladerbüchse im Kaliber 22 heraus.
    «Kommt», sagte er zu Raff und Junior, «ich zeige euch jetzt, wie ihr für euer eigenes Essen sorgen könnt.»
    Hinter dem Besitzer her gingen sie an einem Geräteschuppen und einem Lasterwrack vorbei, dann an einemkleinen, von einem weißen Lattenzaun umgebenen Grundstück. Darin stand ein Grabstein mit der Inschrift IN LIEBE.
    Der Besitzer wies mit dem Daumen darauf und erklärte: «Da begrabe ich meine Hunde.»
    Bald darauf erreichten sie ein mit einem Drahtzaun begrenztes Gehege. Der Besitzer behauptete, es sei zwei Morgen groß, aber es sah viel kleiner aus. Knapp dreißig Meter hinter dem Zaun sahen sie einen Pulk von einem Dutzend Perlhühnern, die sich im Schatten einer Eiche ausruhten. Der Besitzer zeigte mit dem Zeigefinger auf sie. «Das hier sind die einzigen Perlhühner, die ihr von hier bis Mobile runter finden könnt.»
    Ainesley zog den Kammerstengel seines Gewehrs rückwärts nach unten, führte eine schlanke Patrone ein und ließ ihn wieder einrasten. Dann entsicherte er die Waffe.
    «So, wenn ihr auf kleines Wild schießt wie dieses, dann denkt daran, dass man immer auf den Kopf zielen muss. So
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