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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers
Autoren: Tad Williams
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Auftritt
     
     
     
    Leise wie ein geraubter Kuß glitt eine Gestalt an der Seite des breitbäuchigen Schiffs hinab ins Wasser. Als der Schemen wieder an die Oberfläche kam, flog mit lautem Gekreisch ein Schwarm Möwen auf. Hoch über der Bucht kreisend wurden sie von den letzten Strahlen der schon hinter dem Berg versunkenen Sonne in matte Feuerstreifen am Abendhimmel verwandelt. Schließlich landeten sie wieder auf den Wellen, legten die Flügel an und dämmerten nach einer Weile im wachsamen Vogelschlaf. Sie wurden kein zweites Mal gestört. Der heimliche Schwimmer war fort, und in der Bucht war es wieder still.
     
     
    Licht ergoß sich aus der Tavernentür auf das schmutzige Pflaster der Piazza San Ferdinando, als drei Männer über die Schwelle in den trüberen Schein der Fackeln hinausstolperten, die auf dem Platz brannten. Hinter ihnen stimmte jemand ein Lied an, der Gesang von einem, der die erste Nacht im Hafen war, voll von betrunkenen Hoffnungen.
    »Nichts als Schlampen allesamt«, knurrte einer auf hafenneapolitanisch. »Bei Cuvo finden wir bessere Weiber, was?«
    »Die Dicke war gar nicht so schlecht«, meinte sein Kumpan, wobei er bedächtig den Rand eines Weinkruges abstrich und dann den Finger an den Mund führte. »Gut gepolstert.«
    Der erste spuckte aus. »Ein Luder. Sandro hat mir von ihr erzählt.« Er tat ein paar wacklige Schritte, und der Mann mit dem Weinkrug schloß sich ihm an. »Aber drüben bei Cuvo gibt’s welche, da kriegst du was für dein Geld, wirst schon sehen.« Er drehte sich um. »Sebastiano! Was zum Teufel treibst du da?«
    »Ich pisse«, nuschelte der Dritte, mit einer Hand an die Tavernenmauer gestützt. Die Tür war wieder zugefallen, und vom Licht und Lärm drang kaum mehr etwas nach draußen. »Man wird doch noch mal pissen dürfen, oder wie?«
    Der Mann mit dem Krug lachte. »Abgeschluckt, rausgepißt«, sang er, »so verrinnt das gute Geld…«
    »Wir gehen schon mal zu Cuvo«, rief der Erste über die Schulter. »Komm dann nach!« Mit dem Weinträger im Schlepptau torkelte er über die Piazza davon.
    Sebastiano, der sich immer noch an der Wand abstützte, betrachtete mit einer gewissen Befriedigung die über den Gehsteig laufende Pfütze. Während er sich umständlich wieder in seine Pluderhose verpackte, tauchte auf einmal eine dunkle Gestalt lautlos hinter ihm aus dem Schatten auf. Eine schwielige Pranke schloß sich um sein Handgelenk. Er verlor seinen Halt an der Wand und geriet ins Stolpern, doch der Klammergriff bewahrte ihn davor hinzufallen, bis er wieder auf eigenen Beinen stand.
    Mit einem leisen Aufschrei versuchte Sebastiano sich loszureißen, und gleichzeitig wollte er mit der freien Hand nach dem Messer hinten in seinem Gürtel fassen, doch da wurde sein anderer Arm mit einer blitzschnellen Bewegung gepackt. Er befand sich in der Gewalt eines breitschultrigen Mannes mit einem langen Mantel, aus dem Wasser auf die Pflastersteine troff.
    »W-w-was wollt Ihr? Ich hab kein Geld. Mein Kamerad – mein Kamerad da hinten«, Sebastiano wollte über die Piazza zeigen, konnte aber nur mit der Schulter zucken, »der hat meinen Beutel.«
    Die Schattengestalt stieß mit kehliger Stimme ein paar hastige Worte hervor, die der betrunkene Seemann nicht verstand. Wieder versuchte er sich freizumachen, doch seine Handgelenke wurden gehalten wie von eisernen Schellen. Der Druck wurde stärker. Sebastiano wimmerte vor Schmerz.
    »Was wollt Ihr? Ah! Santa Maria!« Er hatte die von der Kapuze verschatteten Augen erspäht, und seine Beine knickten langsam ein, bis er vor der triefenden Erscheinung auf den Knien lag.
    Abermals stellte ihm der Dunkle seine Frage, und diesmal hätte er die rauhe Redeweise fast verstanden, doch sein Herz schlug so schnell, daß es zu zerspringen drohte, und er konnte nicht klar denken. Schließlich hörte er einen Namen, schien es ihm, dann wurde dieser Name noch einmal gesagt. Die Todesangst hatte den Alkoholnebel in Sebastianos Kopf restlos zerstreut, und am ganzen Leib schlotternd erkannte er, daß die sichere Taverne und seine Freunde trotz ihrer Nähe beide gleich unerreichbar waren. Er zwang sich, den Namen, den er gehört zu haben meinte, laut zu wiederholen.
    Der Druck auf seine Arme wurde so brutal, daß er schon seine Knochen brechen fühlte, und er war sicher, genau das Falsche gesagt zu haben. Kindergebete wirbelten ihm durch den Kopf, flehentliche Bitten, die ihm sonst höchstens bei Sturm auf See in den Sinn kamen. Da lockerte sich
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