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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman
Autoren: E. O. Wilson
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es stimmen würde, meinst du nicht, dass er dann jetzt oben in Monroeville im Knast säße?»
    Raff schwieg, und Junior redete weiter. «Sei kein Tropf. Wir brechen ganz früh am Morgen auf und gehen durch Johnsons Farm zum Fluss. Ich weiß, wo wir da unten auf der Flussbank ein Boot leihen können. Dann lassen wir uns ein paar Meilen flussabwärts treiben und legen am Potomo Landing an. Bis zum Abendessen sind wir wieder daheim, keine Sorge.»
    «Meine Eltern bringen mich um, wenn sie das rauskriegen. Sie finden jetzt schon, du machst mir nur Ärger. Sie wollen nicht mehr, dass ich mit dir rumziehe.»
    «Sag ihnen, wir beide verbringen einen Tag am Lake Nokobee. Sag ihnen, wir gehen Brassen angeln. Mehr wollen sie gar nicht wissen.»

    Zwei Tage später holte Junior seinen Cousin um acht Uhr in der Früh ab. Die beiden Jungen beruhigten Raffs Mutter mit ernsthaften Versprechungen und fuhren dann auf ihren Rädern nordöstlich aus Clayville hinaus, verließen die Alabama 128 und radelten auf einer kleinen Landstraße weiter. Es herrschte fast kein Verkehr; nur zwei Fahrzeuge kamen ihnen entgegen, beide beladen mit Leinensäcken voller grüner Tomaten. Die Jungen erreichten einen von Bäumen gesäumten Bach am Rand von Johnsons Farm und versteckten ihre Räder hinter einem dichten Gewirr von Sträuchern und Gräsern gleich an der Straßenbrücke. Sie kletterten die Böschung hinunter, zogen ihre Schuhe aus, rollten die Hosen bis andie Knie herauf und wateten in das klare, sanft fließende Wasser. Sie genossen es, den Sand zwischen ihren Zehen zu spüren und die vereinzelten glatten Flusskiesel unter ihren Fußsohlen.
    Als sie sich flussabwärts Richtung Chicobee wandten, sahen sie, wie kleine Fische zum Schutz in Büschel von Seegras und unter die überhängenden Schollen des Ufers schossen. Eine Klappschildkröte mit grünen Algenstreifen blieb reglos auf dem Grund sitzen, während sie vorübergingen. Von einem überhängenden Ast aus ließ sich eine Bändernatter ins Wasser gleiten und schwamm rasch außer Sichtweite. Da flog laut kreischend ein Rotschulterbussard auf. Sie blickten empor und entdeckten sein Nest, das fast unsichtbar im Kronendach versteckt lag.
    «Die Nistzeit ist vorüber», meinte Raff.
    Weiter unten wurde das Wasser ruhiger und vertiefte sich zu einem Becken, so dass es ihnen bis über die Knie reichte. Die Jungen kletterten auf die Uferböschung, zogen die Schuhe wieder an und folgten der zugewachsenen Spur eines Pfades. Wo der Pfad völlig verschwand, bahnten sie sich, so gut es ging, einen Weg durch das dichte Unterholz am Bachufer.
    Nach gut einer Meile wurde der Bach breiter und wieder seichter. Von einem Rohrkolbenröhricht am Rand eines kleinen Weihers wurde ein Teil des Wassers zu einer Seite abgelenkt. Im Wald standen jetzt locker verteilt Wassereichen, Zypressen und andere Baumarten, die in den Küstenauwäldern heimisch waren. Vorsichtig tasteten sich die Jungen weiter und zweigten jetzt schräg von dem zunehmend matschigen Boden des Bachs ab.
    «Pass auf, vielleicht gibt es hier Treibsand», warnte Junior.
    Raff erschrak, dachte sich aber, dass Junior, der vorausging, als Erster feststecken würde, wenn sie in so etwas hineintappten. So gingen sie dicht hintereinander her, weiter Richtung Fluss, hüpften über kleine Lachen und glitschige Moorlöcher.
    Schließlich konnten sie den Chicobee selbst sehen. In der Vormittagssonne schimmerte die Wasseroberfläche in silbrigem Blaugrün. Soweit sie flussauf- und abwärts sehen konnten, war er von den Kronen des Auwaldes gesäumt, der in grünen Wellen bis an die Wasserlinie hinunterwogte.
    Die Strömung ging weich und langsam. An den flussabwärts treibenden Stücken toter Äste konnte man sehen, dass seine Geschwindigkeit dem eines gemächlich wandernden Fußgängers entsprach.
    An dieser Stelle stieg das Flussufer zu einer Seite des Bacharms leicht an. Der dichte und andersartige Bewuchs ließ erkennen, dass das Ufer gerade so hoch war, dass es nur bei höchstem Wasserstand nach starken Regenfällen weiter flussaufwärts überflutet wurde. Zum Fluss hin fiel es steil ab, es war frei von Blattwerk und von dem sandigen Lehm gelblich gefärbt. Auf beiden Seiten dieses Steilufers fiel die Böschung sanfter ab, und ein schlammiges Ufer führte sacht bis an die Wasserkante.
    Am Ufer lagen ein halbes Dutzend ungestrichener Ruderboote von etwa drei Metern Länge. Sie waren an den Stämmen weiter oben stehender Sumpfmagnolien festgebunden – wenn
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