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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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deshalb eine Dogge an, weil es der Eiserne Kanzler tat. Und das gemeine Volk führte, anders als der Alte Fritz, keine Windhunde aus. Seitdem es aber Bo Obama gibt, sind die Tierfreunde und solche, die sich dafür halten, total aus dem Häuschen.
    Jahrzehntelang schworen die Deutschen auf Dackel. Dem Schäferhund vertrauten sie Haus und Hof an. Foxterrier waren unser ganzes Glück. Nun will man mit einem Kumpel wie Bo auf den Hund kommen. Auch Hundeliebe ist eine Sache des Zeitgeschmacks wie tätowierte Arme, gepiercte Lippen, T-Shirts mit Totenkopf und Knopf im Ohr. Wer geht schon gern mit einem besten Freund Gassi, der nicht mehr in Mode ist? Am besten den Arzt oder den Apotheker befragen, ob es Nebenwirkungen hat, wenn man sein Leben weiter mit einem Golden Retriever teilt. Der war ja gestern noch das Maß aller Dinge, ist aber doch ein arger Kontrast zu einem Portugiesischen Wasserhund. Bo aus Washington und seinen Nachkommen wird eines traurigen Tages bestimmt die Wahrheit dämmern. Auf die Treue von Menschen ist ebenso wenig Verlass wie auf Aktienkurse und Brötchenpreise.

Missverständnisse zwischen Mann und Frau
    Wer hat die Mär aufgebracht, dass der Turm zu Babel samt babylonischer Sprachverwirrung unvorstellbare Ewigkeiten her ist? Ich finde, wir Heutigen schneiden auch nicht schlecht ab. Keine Ahnung von dem zu haben, was der andere redet, ist allerorten an der Tagesordnung. Das ging mir mal wieder auf, als mein Lebenspartner morgens um sieben mit einer solchen Selbstverständlichkeit über kollidierende Wasserstoffkerne und einen neuen Beschleuniger referierte wie ich über meinen Gurkenhobel. Andererseits verwechselt dieser kluge Mann, der Sachbücher liest und mit der Zahl Pi auf bestem Fuß steht, Dornröschen mit Aschenputtel, und er hat von mir erst lernen müssen, dass Matthias Claudius das Gedicht »Der Mond ist aufgegangen« schrieb. Seitdem wissenschaftlich belegt ist, dass Männer Schuhe für Fußbekleidung halten und Frauen für Seelentröster, darf es uns nicht verwundern, wenn Frau und Mann keinen gemeinsamen Nenner finden. Missverständnisse gab es bereits im Paradies. Leider machten sie Menschheitsgeschichte. »Glück«, jubelte Eva und zeigte auf einen Apfel. »Pflück!«, verstand Adam und tat es. Man sieht: Auch die simpelste Belanglosigkeit hat Tücken und Nachwirkungen. Mehr als nur tückisch ist es, dass Alt und Jung so schwer zueinanderfinden. Beispielsweise hält die Jugend Lady Gaga für eine Künstlerin, Menschen in meinem Alter finden sie total bekloppt. Pardon, das Wort ist sicher aus der Mode – wie Strickliesel, Chaiselounge, Anstand und Rücksicht. Die babylonische Sprachverwirrung gibt es aber immer noch. Jede Katze kann sich mit »Miau« besser ausdrücken als ein Mensch, gleichgültig ob er Latein, Deutsch oder Suaheli spricht.
    Wie verschieden Menschen sind, habe ich zum Glück schon früh begriffen. Owuor, unser Koch auf einer Farm in Kenia, konnte noch nicht einmal in meiner Kinderfibel lesen. Dafür war er der Einzige, der dem Löwenhund Simba für alle Zeiten klarmachte, dass der Vollmond kein Einbrecher war und also nicht vom Himmel gebellt werden musste. Wie gut wäre es für uns alle, wenn es wenigstens zu Hause nicht permanent zu Verwechslungen kommen würde. Zum Thema Hase fielen dem oben erwähnten Lebenspartner nur Rotweinsauce, Spätzle und die Vermehrungsfreudigkeit der Rammler ein. Ich hingegen denke bei Hasen ausschließlich an die Hoppelfreunde, die heute Abend bis spät in die Nacht Eier färben und Bonbonnieren legen.

Bismarckhering und Schnitzel Holstein
    Einen Bismarckhering verlangte ich, die Fischfachverkäuferin schaute mich waidwund an. Heringe haben heute weder Namen noch Titel. Der Bismarckhering wurde in Stralsund geboren. Im Jahr der Reichsgründung (1871) schickte der dortige Braumeister und Kaufmann Johann Wiechmann Reichskanzler Otto von Bismarck ein Holzfässchen und bat darum, die süßsaure Delikatesse Bismarckhering nennen zu dürfen. Er durfte. Heute wissen längst nicht alle Deutschen, wer Bismarck war, und Fast-Food-Vertilger reden das Essen auf ihrem Teller selten persönlich an.
    Früher war das anders. Selbst das gute alte Schnitzel Holstein mit dem Spiegelei obendrauf verdankt seinen Namen nicht der Landschaft, sondern dem Regierungsbeamten Friedrich von Holstein, der sich in Restaurants gern mehrere Gänge zuführte und eines Tages aus Zeitmangel Hauptgang und Vorspeise gleichzeitig zu sich nahm. Die Bratkartoffeln wollte er
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