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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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unter dem Schnitzel versteckt haben. Ich entnehme daraus, dass Bratkartoffeln nicht standesgemäß waren. Die Liste von Berühmtheiten, denen Küchenkreationen von Format ihren Namen verdanken, ist lang. Sogar das Kasseler hat seine Geschichte. Das beliebte Schweinerückensteak stammt nicht aus der gleichnamigen hessischen Stadt, sondern verdankt seinen Namen dem Berliner Metzger Cassel, der auf die Idee kam, das Fleisch vor dem Räuchern einzupökeln. Cäsar, seit dem Jahr 44 v. Chr. nicht mehr unter uns weilend, wird bis heute durch den Cäsarsalat geehrt, mit dem sich viel auffälliger kleckern lässt als mit dem bissfesten Casanovasalat aus Sellerie, harten Eiern und Äpfeln. Vergessen wollen wir auch nicht Mozartkugeln und Schillerlocken.
    Seitdem aber Graf Zeppelin dem Frankfurter Metzger Weiss gestattete, seine Leberwurst Zeppelinwurst zu nennen (die es heute noch gibt), ist eher Anonymität angesagt. Vielleicht haben die Promis nicht mehr genug Ausstrahlung, um Speisekarten zu entern. Würde uns ein Würstchen Westerwelle, die Putenbrust Angela oder die Leber Jauch überhaupt munden? Nach Obama ist noch nicht einmal der kleinste Hamburger benannt, die Würstchen in seiner Heimat nennt man schlicht heiße Hunde. Auch Hollywoodstars machen sich nicht auf Speisekarten unsterblich. Es gibt keine Lammkeule Paris Hilton, kein Omelette George Clooney. Mich wundert das nicht in einer Zeit, in der Gäste ihren Hunger per Nummer stillen oder mit dem Finger auf Bildchen zeigen.

Der fünfte Monat
    Kaum ist die Walpurgisnacht vorbei und die Hexen haben ihre Besen zurück in den Stall gestellt, kommt der Lieblingsmonat aller Dichter, Romantiker und Durchschnittsmenschen. Das Hätschelkind der Jahreszeiten duftet nach Flieder und erzählt mehr Märchen, als die Brüder Grimm je in deutschen Landen sammeln konnten. Goethe und Heinrich Heine haben den Mai so wunderbar besungen, dass es uns heute noch das Herz zerreißt. Erich Kästner sprach vom Mozart des Kalenders.
    Wenn Deutschlands Schulkinder einst sangen Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün, glänzten ihre Augen. Ein ewig junges Volkslied lässt uns wissen, dass im Mai die Bäume ausschlagen. Jetzt rütteln die Feen an Maiglöckchen und berichten den Maikäfern von Liebe und Glück. Die Elfen (vorwiegend männlichen Geschlechts) besaufen sich an der Maibowle, die Herr Müller in seinem Kleingarten angerichtet hat. Jungmänner steigen im Mai aus ihren Lumpenjeans aus. Sie ziehen einen dunklen Anzug an und schwören einer Herzdame mit Blumenkranz im Haar ewige Treue. Herren mit Bauch und Midlife-Krise werden der Ehefrau untreu und herzen junge Luder mit Wackelhintern. Im Mai ist eben alles möglich.
    Der fünfte Monat wird selbst von Realisten und Miesepetern als Wonnemonat bezeichnet. In Europa ist er seit jeher ein Höhepunkt im Leben von Mensch und Tier und Vogel. Da kann es schon mal vorkommen, dass Philosophen, statt zu philosophieren, Erdbeereis schlecken und Frauen mit einem neuen Bikini statt mit einer Bratpfanne nach Hause kommen. Eine Nummer zu klein und nicht sehr geeignet für die Zubereitung von Spiegeleiern. Auch wer nur Liebe auf Triebe reimen kann und Herz auf Schmerz, jubelt im Mai, als wäre das Leben ein Kinderspiel. Jedenfalls war es bisher immer so.
    Seit Menschengedenken haben wir in diesem Monat aller Monate nur in Ausnahmefällen an Bazillen und Viren gedacht, von Krankheiten und Seuchen sprach keiner. Jetzt redet auch Hänschen klein von der Schweinegrippe, und die kleine Erna ebenso. Wenn einer niest, zucken wir zusammen; wird in Kiel ein Patient gemeldet, kaufen die Leute in Konstanz Fieberthermometer. Und was sagt der Mai dazu? Nichts. Er macht die Bäume grün und die Veilchen blau. Wonnemonat, das traditionelle Programm wird dieses Jahr nicht reichen! Lass es bloß nicht so weit kommen, dass wir nicht mehr merken, wie das Maikraut duftet. Lass in den Maiennächten weiter das Wunder der Liebe geschehen. Gib uns unseren guten alten Schnupfen wieder und ängstige uns nicht mit Krankheiten, die wir gestern noch nicht kannten. Komm, lieber Mai, und mache die Menschen wieder froh. Und zuversichtlich!

Früh übt sich das Leben auf Rädern
    Sie tragen Sicherheitshelm und haben den trutzigen Blick eines Autofahrers, der auf eine Parklücke zusteuert, die ein anderer vor ihm gesehen hat. Das Durchsetzungsvermögen vom Mann am Steuer ist eine Sache allerfrühester Übung. Da sind heute schon die Zweijährigen Meister ihres Fachs.
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