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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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Laden nach der Umkleidekabine fragte und mir ein zum Geschäft glänzend passender Snob (weiblich) angeekelt den Weg zu den Räumlichkeiten in der Changing Area wies. Ich gestehe, dass mich ein heißer Drang packte, dem smarten Wesen ein Glas Wasser (oder muss es heutzutage Prosecco sein?) über den Kopf zu schütten. Ich bin eben von der altmodischen Art. Als Kind wurde mir verboten, ständig o. k. und sorry zu sagen. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich heute nicht schlau genug bin, um dahinterzukommen, welcher Teil vom Huhn ein Chicken-Nugget ist, wozu ein Haar-Conditioner gut ist und wieso ein leuchtendes Rot »Intense Red« genannt wird.
    Stil, so fällt mir auf, wird neuerdings von Zeitschriften, die keinen solchen haben, Style geschrieben. Schuhe, die aussehen, als hätten Aschenputtels miese Stiefschwestern das Messer angelegt, um Platz für ihre Zehen zu schaffen, nennt die Branche Peeptoes. Eine Handtasche, in die nicht viel mehr als der Lippenstift und Schatzis Kreditkarte passen, ist eine Clutch, was nicht mit dem herzhaften germanischen Ausdruck Ich klatsch dir eine! zu verwechseln ist.
    Alles sehr schade. Gerade haben sich die meisten Ärzte abgewöhnt, mit ihren Patienten Latein zu reden. Feine Leute parlieren auch nicht mehr, wie in höfischen Zeiten, Französisch. Ciao sagt höchstens nur noch eine deutsche Landpomeranze, die Coffee to go verkauft.
    Trotzdem ist sprachlich nicht alles in Butter: Wer nämlich nur Deutsch gelernt hat, braucht einen Vermittler, der sich mit den Gepflogenheiten der Zeit auskennt. Steht zu lesen, wir bleiben gute Freunde, und stammt die Ankündigung von einem Ehepaar, heißt das, wir leben in Scheidung und kämpfen bis zur letzten Kuchengabel. Wer sich eine Auszeit von der Liebe nimmt, dem hängt der Partner zum Hals heraus. Eine Blitzbeziehung ist eine Lebensform, in der die Beteiligten noch nicht einmal Zeit hatten, den Nachnamen des Bettgenossen zu erfahren. Und was ein One-Night-Stand ist, sollten Eltern ihre Kinder fragen (ab 10). Korrektes Oxford-Englisch nützt da gar nichts.

Der Held der westlichen Welt
    Obwohl in keinem Teil der Welt lange Ohren und eine auffällige Zahnstellung als Karriere fördernd gelten, hat es der einfache Feldhase doch enorm weit gebracht. Um diese Jahreszeit fällt das besonders auf. Sobald die Bäume blühen und die Osterglocken läuten und ein jeder Träumer das Gras wachsen hört, wird aus dem ganz gewöhnlichen Nagetier der Held der westlichen Welt. Eine markante Erscheinung war er zwar nie, aber seine Augen sind aus Samt, und sie erzählen wundersame Geschichten – von verzauberten Glockenblumen und von Silberwolken, die nur die privilegierten Hasen sehen.
    Kaltschnäuzige Zeitgenossen sind so frivol, ausgerechnet zur Osterzeit darauf hinzuweisen, dass die Jägersleute und jeder gewöhnliche Dorfköter und selbst die dümmsten Füchse so einem armen Löffelmann nach dem Leben trachten. Und vergessen wir die Köche nicht, die nach dem wahren Lebensglück in Pfannen und Auflaufformen suchen. Die servieren Hasenbraten mit Orangensauce, Petersiliensträußchen und feinen Klößen. Allerdings schreckt ein Koch, der auf Niveau hält, Ostern doch davor zurück, ausgerechnet das Wappentier des Festes zerlegt auf den Tisch zu bringen. Der Osterhase mit der großen Kiepe, der Eier bemalt und Eier legt und sie hoppelnd von Waldhöhlen und Wiesengründen in Vorgärten schleppt, hat sich nämlich allen Strömungen der Zeit und jedem modischen Trend widersetzt. Weder haben ihn Pfeil und Bogen noch die Erfindung des Schießpulvers aus unserer Welt verbannt und schon gar nicht die Vorliebe der Menschen für Hasenpasteten mit grünem Pfeffer und Cognac.
    Ein schlauer Hasenmeister hat nämlich in grauer Vorzeit die lebensrettende Kunst des Hackenschlagens erfunden. Die ist heute noch das A und O im Überlebenskampf eines Hasen. Ist er besonders keck und gut gelaunt, zieht er gar dem Jägersmann im grünen Rock eine lange Nase und schießt ihn tot. Peng, peng, das war’s! Nachzuschlagen im »Struwwelpeter«, der Pflichtlektüre für Hasenkinder.
    Heute kommen nur garstige Wortverdreher noch auf die Idee zu behaupten, der Osterhase wäre ein Fabeltier. Die Schokoladenindustrie beweist das schmackhafte Gegenteil. Ohne Osterhasen wäre sie eine Einrichtung zur Unterstützung Not leidender Zahnärzte wie andere auch.
    Neuerdings leistet sich Meister Lampe gar eine eigene Werbeabteilung. Soeben ließ die uns wissen, dass der Genuss von Eiern in
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