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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
Autoren: Langen Müller
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sind. Hätte ich das Geld, das die Geschäftsleute, die mich anschreiben, bei mir vermuten, würde ich in jeder Zeitung und auf jeder Mauer Anzeigen schalten und so in die Welt posaunen, dass mein Bedarf an allem gedeckt ist, was der Mensch im Sommer braucht. Na, sagen wir, fast gedeckt, denn ich halte seit Jahren Ausschau nach einer hübschen Sternschnuppe an einem nachtblauen Band. Den Himmelsgruß bietet mir natürlich niemand an. Mit Träumern, die Wünsche haben, die nichts kosten, isst die Geschäftswelt nicht gern Kirschen.

Wer quakt noch mit den Fröschen?
    Natürlich muss sich die Welt immerzu ändern. Sonst würden wir ja alle noch auf Bäumen hocken und darauf warten, dass einer das Rad erfindet und vielleicht auch das Feuer samt Grillwürstchen. Manchmal kommt mir allerdings der Gedanke, dass unser Leben sich im Düsentempo Neues einfallen lässt und wir gar nicht mehr merken, wie rapide unsere Ansprüche steigen. Als ich einen Bericht von der Mailänder Möbelmesse las, ging mir auf, dass Kinder zur Einschulung heute mehr als nur Ranzen, Heft, Schreibwerkzeug und Pult brauchen. Zum Start in den Ernst des Lebens sollten Sven, Nadja und Co. ein Kinderbüro bekommen, ausgestattet mit stufenlos verstellbarem Arbeitstisch, Mulden für die Schreibutensilien und einer Schubladeneinheit auf Rollen. Das Kissen obendrauf ist für Besserwissis gedacht, die behaupten, dass drei im Quadrat nicht sechs, sondern neun ist und dass Goethe im Gegensatz zu Pippi Langstrumpf tatsächlich gelebt hat.
    Auch auf Spielplätzen geht es nicht gestrig zu. Mit Schaukel, Wippe und Sandkasten gewinnt kein Freizeitplaner mehr einen Blumentopf. Ausgetüftelte Klettergeräte, die sowohl Muskeln als auch Phantasie stählen, müssen es sein. Dazu Hüpfburgen, Wasserrutschen, Stiere zum Reiten und einen Irrgarten, in dem die Kleinen beizeiten lernen, dass das Leben kein Kinderspiel ist. Zweijährige finden es heute fad, im Sand nur mit Eimerchen und Schaufel zu werkeln. Traktor, Kran und Lastwagen sollten es sein. Auch Zwerge müssen begreifen, dass es Prestige und Wohlhabenheit sind, die die Weichen zum Glück stellen.
    Eltern gehen ja auch nicht mehr ins Schwimmbad und planschen vor sich hin. Schwimmbäder sind heute Wellnessoasen mit Musik und Wasserspielen, Saunen, Whirlpools, Kuppeldecken, wie sie Roms Kaiser liebten, und Badegästen, die von Becken zu Becken gleiten und sich bei dem Gedanken schimmelig lachen, dass Großvater sich am Rande des Dorfteichs sonnte und mit den Fröschen quakte.
    Wenn Jugendliche sich ins Koma saufen, wenn Kinder aus purer Lebensfreude aufeinander eindreschen, ohne dass sogenannte Erwachsene protestieren, und wenn Denken immer mehr aus der Mode kommt, worauf haben wir uns noch einzustellen? In Mußestunden zimmere ich an einer neuen Welt. In der räumt jeder freiwillig seinen Dreck weg. Dummköpfe und Phrasendrescher haben Redeverbot, und Verstand, Rücksicht, Humor und Bescheidenheit gibt’s auf Krankenschein.

Mindestens zwei Liter pro Tag
    Obama kam ohne Wasserflasche nach Dresden. Auch Angela Merkel lässt sich nie mit einer solchen blicken. Guido Westerwelle, immer piekfein und beeindruckend, schon gar nicht. Ich vermute, ab einem gewissen gesellschaftlichen Status können Menschen damit rechnen, dass sie in keiner Situation Hunger und Durst leiden werden. Uns Übrigen wird volle Pulle geraten. Ärzte, Gesundbeter, besorgte Mütter, Sportlehrer und Fußballtrainer sind sich einig, dass der Mensch permanent trinken muss, um bei Laune und Leistung zu bleiben. Die Flasche im Rucksack und erst recht die am Mund ist heute so wichtig wie früher das Taschentuch und die drei Groschen, die nötig waren, um mit seinen Lieben aus einer öffentlichen Telefonzelle zu kommunizieren.
    Mindestens zwei Liter Wasser pro Tag sollen es sein, damit wir so munter sind wie ein Hecht im Karpfenteich. Ehe die Gesundheitswelle zu uns herüberschwappte und uns empfohlen wurde, rohes Wurzelwerk zu mümmeln und uns auf Wellnessoasen zu suhlen, galt Wasser als Armeleutegetränk, die darob zu bedauern waren. Milch wurde als Gesundmacher für das Kind in hohen Ehren gehalten, besonders in jenen hungrigen Zeiten, als es nur für Bauernkinder genug Milch gab. Für die bleichen Kleinen in der Stadt wurde sie am Rande der Hungergrenze rationiert. Nachdem die Dinge wieder im Lot waren und kein Großstädter mehr einen guten Perserteppich für zwei Pfund Butter und eine Kanne Vollmilch hergeben mochte, verehrten wir das Glas frisch
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