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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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Angst, daß das heiße Gestirn Bojans Körper durchdringen und seine Augen verbrennen könne.
    Bojans Gesicht war ungewöhnlich ernst. Ein Todesurteil stand in seinem Blick, sein, Faunians, Todesurteil. Faunian kannte die Gedanken des Maschinisten, auch wenn er sich jetzt meisterhaft verschloß.
    »In vier Tagen werden wir starten«, erklärte Bojan. Es war, als schnüre jemand eine Schlinge um Faunians Herz und zöge sie zu, langsam und immer fester. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Nur jetzt keine Blöße geben. So, wie er in den nächsten Tagen reagieren würde, würden ihn Bojan und die anderen Heimkehrer in ihren Erinnerungen behalten, und auf Bojans Urteil legte er Wert. Er holte tief Luft.
    »Wir alle hier auf der Erde wünschen euch viel Glück, Bojan«, sagte er, und er erkannte seine eigene, leise Stimme nicht. Es war, als spräche ein völlig Fremder aus ihm. »Grüßt unsere Heimat. Wir werden versuchen, die Menschen darauf vorzubereiten, daß sie eines Tages auf ihre Weise den gleichen Evolutionsstand erreichen wie wir. Bestimmt wird es ihnen mit unserer Hilfe leichter werden, und es wird schneller gehen, als wir es uns träumen lassen. Sie sind enorm stark, diese Menschen.«
    Er schloß die Augen, und wieder zogen die vertrauten Bilder Morns an ihm vorbei. Aber wieder bezwang er sich.
    »Und wir werden diese einmalige Synthese aus Technik und Natur sehr genau beobachten«, schloß er.
    Als er die Augen öffnete, sah er, daß Bojan erstarrt war. Seine vage Handbewegung drückte Hilflosigkeit aus. »Dann muß ich euch also nicht mehr erklären.?«
    Faunian unterbrach ihn. Er wußte, wie das, was Bojan ihnen sagen wollte, ihn quälen mußte. Wozu es wieder und wieder erklären? Sie alle wußten es längst.
    »Nein, Bojan! Du brauchst uns nicht mehr zu erklären, daß wir auf Morn verzichten müssen. Wir wissen es. Wir wissen, daß es keine andere Lösung gibt.« 
    Es sollte sich anhören, als habe er sich völlig mit seinem Schicksal abgefunden, aber es klang bei weitem nicht so. Trotzdem hob ein tiefer Atemzug Bojans Brust. Lasten fielen ihm von der Seele. Vorsichtig legte der Maschinist seine schwere Hand auf Faunians Arm, eine bisher auf Morn völlig unübliche Geste, aber sie fühlten beide, daß es eine gute Geste war.
    »Ihr werdet Menschen mit nach Morn nehmen, Bojan?« Er blickte den anderen an und wußte doch selbst nicht, ob es eine Frage oder eine Feststellung war. Aber Bojan hatte ihn verstanden.
    »Sie werden ständig Raumanzüge tragen müssen, Faunian«, sagte er. »Nie werden sie direkten Kontakt zu uns oder unserer Welt haben können. Willst du auf Morn unter den gleichen Bedingungen wie sie leben? Nicht nur einige Zeit, sondern ein Leben lang, ein langes Leben lang?«
    Darauf gab es keine Erwiderung. Er selbst hatte sich diese Gründe tausendmal vorgehalten, immer wieder. Aber konnte es Bojan ihm verübeln, daß er sich an jede Möglichkeit zu klammern suchte? War es verwunderlich, daß er die Menschen, die die Freunde in die Heimat begleiten durften, beneidete?
    Er senkte den Kopf und versuchte sich auf die Gedanken Cositas zu konzentrieren. Er spürte, daß sie ihn lange ansah, daß sich ihre Gedanken überschlugen. Lange gelang es ihm nicht, einen Sinn in die schnell folgenden Emissionen zu bringen, und als er ihn endlich begriff, begann sein Herz wie ein Hammer zu schlagen. Stumm blickte er sie an, und langsam wurde es Gewißheit: Sie hatte sich entschlossen, bei ihm auf der Erde zu bleiben.
    »Hast du dir das genau überlegt, Cosita?« flüsterte er. »Nicht einmal, sondern tausendmal?«
    Sie hatte es sich überlegt, und sie war entschlossen, bei ihm zu bleiben. Faunian dachte an ihr Kind, an sein Kind. Was würde aus ihm werden, fern von Vater und Mutter?
    Zuerst begriff Cosita seine Sorgen nicht. Kinder auf Morn konnten die Mutter entbehren. Gehegt und gepflegt in den gesellschaftlichen Einrichtungen, waren sie von so viel Liebe umgeben, daß sie den Verlust der individuellen Muttersorge nie verspürten. Aber trotzdem, bestimmt würde sie das Kind entbehren, sie, Cosita. 
    Da wußte sie, daß er sich nicht so sehr um das Kind sorgte. Als er erneut aufblickte, sah sie ihm voll ins Gesicht. »Mach dir keine unnützen Sorgen, Faunian. Wir können auf Morn jederzeit die für die Menschen geschaffenen Einrichtungen in Anspruch nehmen. Später, wenn wir alle den Schock überwunden haben, wird uns niemand und nichts daran hindern, zeitweise auf Morn zu leben. Solange es uns gefällt,
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