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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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Anforderungen, die die Umwelt an Körper und Geist stellt. Langsam, im Zeitraum über mehrere Generationen, wird der genetische Bauplan den veränderten Bedingungen angepaßt.«
    »Die genetischen Ausfälle bei neugeborenen Mornen.« In Faunians Kopf begann sich ein Mühlstein zu drehen. Wenn die Vermutungen der irdischen Wissenschaftler stimmen, dann würde die Medizin einen Riesenschritt voran tun, dann endlich würde es ein Mittel geben, die Geißel der genetischen Ausfälle zu beseitigen. Welche Aspekte boten sich hier an? Und das alles nicht zuletzt durch die Mithilfe der Menschen, durch die Anwendung ihrer Methoden, die er eben noch als barbarisch bezeichnet hatte. Alle Achtung, Kont! Er, Faunian, hätte nicht an Tieren experimentieren mögen.
    »Kont folgt den Menschen in ihrer Vermutung«, erklärte Cosita. »Er meint, daß die Unterbelastung gewisser Extremitäten und Hirnzentren über mehrere Generationen hinweg zu einer Rückbildung in der Art eines Mutationssprunges führen kann.«
    »Wenn das stimmt, Cosita, dann sind die bisher aufgetretenen Ausfälle nur ein Anfang, dann müssen wir auf Morn mit einer Welle negativer Erscheinungen rechnen. Vielleicht bald, vielleicht erst in ferneren Generationen.«
    »Deshalb bleibt Kont auf der Erde.«
    »Und was haben die Tierversuche der Menschen bisher beweisen können?«  
    »Noch stehen die Mediziner am Anfang. Die ersten Versuchsreihen wurden an niederen Tieren durchgeführt, an solchen Arten, die einen sehr schnellen Generationswechsel aufweisen. Nur dadurch läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Tendenz ermitteln. Und diese Tendenz scheint eindeutig zu sein.«
    Faunian begann zu begreifen, daß die Arbeit, die Kont und die irdischen Mediziner zu leisten im Begriff waren, zu dem Größten und Wichtigsten zu zählen war, das je in Angriff genommen wurde, aber noch sträubte er sich dagegen, mit den niedersten Tieren der Erde verglichen zu werden. Obwohl er sich bemühte, Cosita diesen Gedanken, von dem er wußte, daß er unsinnig war, nicht spüren zu lassen, fühlte er, daß sie lächelte.
    »So ist es, Faunian«, sagte sie, »sie vergleichen uns mit niederen Tieren, mit Tieren, die weder Verstand noch Intelligenz besitzen, aber sie stellen uns nicht mit ihnen auf eine Stufe. Und dann, wenn sie eine Tendenz ermittelt haben, eine klare, unwiderlegbare Tendenz, dann führen sie ähnliche Versuche an höheren Tieren durch. Auf diese Art werden uns Menschen und Tiere helfen, ein Problem zu lösen, unter dem wir seit mehreren Generationen zu leiden haben.« Als sie gingen, blickte er ihnen lange nach. Dann streckte er sich auf der weichen Liege aus und ließ sich die warmen Strahlen der sinkenden Sonne auf das Gesicht scheinen. Und wieder war ein Stück der Barriere, die ihn innerlich noch immer von den Menschen trennte, zusammengebrochen. Deutlich spürte er die Gedanken Finettas und Lekons, und er wußte, daß in ihnen die Mauer nur noch als schwache Barriere morscher Trümmer existierte.
     
    Das Abschiedszeremoniell lag hinter ihnen. In Leningrad hatten sie einen Schesternjow erlebt, den der Abschiedsschmerz linkisch und unbeholfen wirken ließ. Erst, als er sich von jedem einzelnen mit herzlichen Worten verabschiedete, schien er wieder der alte zu sein, ernst und doch freundlich. Für jeden hatte er tröstende oder dämpfende Worte gefunden, je nachdem, was ihm erforderlich zu sein schien. Jetzt schaukelte der Disko auf den leicht bewegten Wassern der Ostsee vor der Küste von Riga. Rod blickte über die langsam anrollenden Wogen des Meeres, aber er sah sie nicht. Er träumte mit offenen Augen. Hatte er bisher angenommen, daß er nichts und niemanden zurückließe, sich von dem gewohnten Leben mühelos würde trennen können, so überkam ihn nun doch etwas Abschiedsweh.

    Noch war die Landebrücke nicht eingezogen, noch hielt er die breite Hand Schesternjows in der seinen.
    »Welch eine Welt werden wir dort kennenlernen?« fragte er leise, ohne auf eine Antwort zu hoffen, und er war dankbar, als Schesternjow lächelte. »Es wird eine Welt voller Freunde sein, Rod.«
    Er blickte auf Betty, die an seinem Arm hing und dem Weinen näher als dem Lachen war. Drüben beugte sich Lester Sullivan über die Hand Karin Bachfelds. Zur Feier des Tages trug er einen nachtblauen Anzug, in dessen Falten bei jeder Bewegung ein flammendes Rot aufleuchtete. Als er sich aufrichtete, vermied er es, die junge Frau anzusehen. Er wandte sich an Bracke und schüttelte ihm
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