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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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hatte. Zwar war Akul nicht begeistert gewesen, aber seitdem lief wenigstens diese Seite ihrer Unternehmungen reibungslos, von den Impulsen, die sie der jungen irdischen Kosmonautik und Lunistik gaben, ganz abgesehen. Und die junge Birrha war Akul eine Partnerin geworden, mit der er nicht nur gut zusammenarbeitete.
    Bojan legte Tekla die Hand auf die Schulter, aber sie hatte bereits vorher begriffen, daß er sie bat, ihn zu den Kranken zu begleiten. Sie war es, die seiner Ansicht nach die größte Ausstrahlungskraft paramentaler Impulse hatte. Sie starteten sofort, landeten den Disko in der Bucht von Riga, und am Nachmittag betraten sie den Sanatoriumskomplex von Leningrad durch seinen Seiteneingang.
     
    Faunian lag auf seinem Lieblingsplatz oberhalb des Schachtes. Die kleine künstliche Sonne wärmte angenehm. Sie wärmte anders, intensiver als die Anzüge, die die Optimaltemperatur des Körpers als Indikator verwendeten. Er hätte nicht sagen können, warum er den Thermostaten abgeschaltet hatte, aber es machte ihm Spaß, sich von der Sonne aufheizen zu lassen.
    Unten im Tal mischte sich das Raunen des kleinen Flusses mit dem hohen Singen des ausströmenden Sauerstoffs. Der Himmel über ihm strahlte in einem hellen durchsichtigen Violett. Der Tag war anstrengend gewesen, ohne daß er hätte sagen können, wodurch. Hatte er im Rat mit den Alten gestritten, oder hatte er sich auf seinen Flug zur Erde vorbereitet? Zur Erde mit ihren Menschen, die stark waren und heftig in ihren Emotionen, so ganz anders als sie selbst, daß man es ihnen bei ihrer Heimkehr kaum glauben würde. Und so sehr er sich auf die Erde freute, im Innersten spürte er Furcht. Vor der Natur, vor den Heeren von Bakterien, dem Schmutz, der den Planeten bedeckte.
    Er tastete nach Cositas Hand. Irgendwo neben ihm mußte sie liegen. Noch nie hatte sie ihn allein gelassen. Ihren innigsten Wunsch hatte sie sich versagt, um bei ihm bleiben zu können. Und wo war Cosita jetzt?
    Er fand sie nicht, obwohl er ihre Stimme hörte, die laut und deutlich nach ihm rief. Nicht voll Angst und Sorge, sondern drängend oder fordernd. Sie befahl ihm zu erwachen. Immer wieder. Und plötzlich wußte er, daß er träumte.
    Hoch oben am Himmel Morns sang ein Vogel. Welch ein Widersinn! Ein Vogel am Himmel Morns. Und doch klang sein Ruf bis hier herunter zu den Hügeln. Und dann sah er den Vogel, und er wußte, daß es keiner von denen war, die die Menschen lieben, weil ihr Gesang sie erfreut. Es war einer jener mächtigen Vögel, die sich von toten Tieren und gelegentlich auch von toten Menschen ernähren. Er flog langsam, mit kraftvollem Flügelschlag, den nackten Hals wie ein Ruder ausgestreckt, den kleinen Kopf auf der Suche nach Aas ständig hin und her wendend. Würde er es wagen, einen schlafenden Mornen anzufallen?
    Faunian tastete nach seinem Paralyser, aber seine Hände waren wie in einem zähen Brei gefangen. Er konnte sich nicht bewegen. Er wurde wütend, aber der Brei hielt nach wie vor seine Arme fest. Und die Stimme rief ihn noch immer.
    Er wußte, daß er sich nicht gegen den Geier, der langsam größer wurde, wehren konnte. Fast schwarz war der Himmel Morns jetzt, schwarz mit einem riesigen grauen Geier, der auf ihn, Faunian, herabstieß.
    Und die Stimme Cositas? Sie war leise geworden, so leise, daß er sie kaum noch vernahm. Cosita hatte ihn verlassen. Was spielte es jetzt noch für eine Rolle, daß dieses gefiederte Untier über ihm war, daß es sich auf ihn stürzen würde, Myriaden von Bakterien in seine Wunden schleudernd! Cosita war gegangen, was sollte er noch ohne sie?
    Noch einmal blickte er hinauf in den drohenden Himmel, den der widerliche Körper des Vogels jetzt fast völlig verdeckte. Da schien es ihm, als löse sich das Tier auf, zerfließe in einen Schwarm übergroßer Bakterien, groß wie die Spinnen, die er gesehen hatte, mit Zangen an den ekelhaften Köpfen.
    Dann prallten die ersten Spinnen auf seine nackte Brust, setzten tastend die Zangen an, um sie ihm ins Fleisch zu bohren, die nächste Rotte stieß gegen seine Stirn, aber er spürte keinen Schmerz. Verwundert betrachtete er seinen Körper, sah, wie die Spinnen bei der Berührung zuckten, sich wanden und zur Seite fielen.
    Und plötzlich wußte er, daß er leben würde. Er war immun geworden, immun wie die Menschen es waren. Er war stark, stark wie ein Mensch, und er würde leben wie sie, leben trotz der Spinnenbakterien, die immer noch auf seiner Brust und auf seiner Stirn
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