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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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hafteten.
    Dann sah er eine Hand, die sich seinem Gesicht näherte, eine Hand von stumpf silberner Farbe, mit langen beweglichen Fingern, die in einer Folie steckten, eine mornische Hand. Sie wischte ihm sanft über die Stirn, vertrieb die Spinnen und das Violett des Himmels, der plötzlich gelb wurde. Dieses Gelb war gedämpft durch eine glasige Folie, aus der auch die Hand herauswuchs, die Hand einer Frau.
    Er wollte die Hand greifen, ihr danken für das, was sie getan hatte, aber er konnte sich nicht bewegen. Da hörte er seinen Namen und schlug die Augen auf.
    Er lag in einem kleinen Raum, der von einer glasklaren Folie gebildet wurde, und hinter der dünnen, durchsichtigen Wand erkannte er das schmale Gesicht Teklas. Sie lächelte glücklich. 
    Da erinnerte er sich an alles. Nun würde er leben. Und zugleich wurde ihm bewußt, daß der Traum, den er eben geträumt hatte, einen wahren Hintergrund besaß. Er wußte, daß die Bakterien der Erde für ihn genauso unschädlich geworden waren wie für die Menschen.
     
    Als Tekla und Bojan das Krankenzimmer wie schon so oft schweigend betreten hatten, waren die irdischen Pfleger, die an den Lagern der Mornen wachten, unauffällig zur Seite gegangen. Jedesmal war das so. Tekla bewunderte die Art dieser Menschen, sich im Hintergrund zu halten, und sie war ihnen dafür dankbar. Es schien, als ahnten sie, welch gewaltige Anspannung die bisher stets fruchtlosen Versuche, mit den Kranken in Kontakt zu kommen, kosteten. Als sie sich auf Faunian konzentrierte, fühlte sie sofort, daß etwas anders war als sonst. Er war unruhig. Zwar lag er bewegungslos wie immer, aber sie hatte den Eindruck, daß eine Bereitschaft, eine unterschwellige Öffnung im Bewußtsein des Kranken entstanden war. Sie machte Bojan mit einer Handbewegung darauf aufmerksam und forderte ihn auf, sich passiv einzuschalten.
    Sie versuchte Faunian durch ein Bild zu packen, von dem sie wußte, daß es dazu angetan war, eine gewisse Wirkung zu erzielen. Sie stellte sich seine Lieblingslandschaft am Fluß vor und bemühte sich, diese Vorstellung so plastisch wie möglich auf ihn zu transponieren. Dann spürte sie die Resonanz und spannte alle ihre Kräfte an.
    So erlebte sie, wenn auch zuerst verschwommen, den Alptraum Faunians mit, der schließlich in ihrem Bewußtsein so stark wurde, daß sie versuchte, ihm die Spinnen von der Stirn zu wischen. Da endlich schlug er die Augen auf. Zu gleicher Zeit erklang aus einem der Nachbarzelte ein Stöhnen. Lekon erwachte. »Ich lebe!« flüsterte er. »Ich lebe!«
    Als Tekla erschöpft einen Schritt zur Seite ging und sich auf einen der kleinen harten Hocker fallen ließ, trat ein Pfleger auf sie zu und drückte ihr die Hand. Der Druck der großen breiten Menschenhand war kräftig, auch für menschliche Begriffe, aber Tekla spürte keinen Schmerz. Sie war erschöpft und glücklich zugleich. Sie wußte, daß dieser Händedruck eine Anerkennung war, eine Anerkennung ihrer Stärke und Unbeugsamkeit. 
    Sie blickte hinüber zu Bojan und stellte fest, daß er sie beobachtete. Sie sah Bewunderung in seinen Augen, aber sie spürte seine Gedanken nicht. Er hatte das Netz abgeschaltet, wahrscheinlich, um seine Gemütsbewegungen nicht auf sie zu übertragen.
    Da stand sie auf, ging zu ihm und legte den Kopf an seine Brust. Bojan hob den Arm und legte ihn sacht um ihre Schulter. Langsam bekam sie Kontakt, aber noch verschloß er seine Gedanken.
     
    Die Kranken befanden sich zum erstenmal außerhalb des Sanatoriums. Die Pfleger hatten ihnen im Garten die weichsten Liegen, die sie beschaffen konnten, aufgestellt. Faunian, Lekon und Finetta ließen die Sonne auf die unvermeidlichen Kombinationen scheinen.
    Faunian hatte sich etwas auf die Seite gedreht und beobachtete Finetta, die die Augen geschlossen hielt. Finetta ging es am besten von ihnen. Sie hatte die Maske bei dem Unglück aufbehalten und lediglich eine Verletzung am Oberschenkel davongetragen, die sich allerdings auch zu einer schwärenden Wunde entwickelt hatte. Finetta fühlte sich bereits wieder so kräftig, daß sie sich beklagte, weil sie nicht an der allgemeinen Aufgabe mitarbeiten konnte, an der Aufgabe, möglichst viele Informationen und Technologien mit den Menschen austauschen zu können. Sie litt zweifellos am meisten unter ihrer Untätigkeit. Jetzt öffnete sie unter seinem Blick und seinen Gedanken die Augen.
    »Man müßte die Sonne direkt fühlen können«, erklärte sie. »Nicht nur durch die
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