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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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mit der Basis des Tentakels verband. Wieder würde er versuchen, die Maschine zu überlisten. Aber er würde noch vorsichtiger sein als bei der ersten Frage. Für einen Augenblick schlug ihm das Gewissen, als er die Aufgabe stellte, und er fürchtete, daß der Tentakel seine Unsicherheit gespürt habe. Kurzerhand ließ er die Frage löschen und stellte sie erneut: »Auf welche Art sind die Verletzten nach Morn zu überführen?«
    Er schämte sich seiner Hinterlist, rechnete aber nicht damit, daß der Tentakel auf seinen Trick hereinfallen würde. Trotzdem bemächtigte sich seiner beim hastigen Spiel der Farben, das die hektische Suche der Maschine nach einer effektiven Lösung dokumentierte, eine schmerzhafte Spannung. Sollte es doch noch eine Lösung geben, die den emotionalen Wünschen seiner Freunde entsprach? Es gab kaum jemanden, der sich für die Aufgabe der Kranken, für ihr Verbleiben auf dem fremden Planeten, ausgesprochen hatte.
    Aber so verführerisch der Gedanke war, so schnell ließ er ihn wieder fallen, als er die ersten Impulse des Tentakels fühlte. Er öffnete die Augen, als sie zusammenhanglos wurden, und er sah, daß die Anzeigen in einem giftigen Grün zu leuchten begannen, ein Zeichen dafür, daß die Maschine eine Beantwortung der Frage an sich ablehnte. 
    Und dann flammten die Impulse erneut auf, heftiger als je zuvor. Der Tentakel sprach sich gegen eine Überführung der Kranken überhaupt aus. »Gefahr für die gesamte Zivilisation Morns durch bakterielle Verseuchung!« signalisierte er.
    Bojan wußte, daß er sich damit nicht zufriedengeben würde. Jetzt begann der Kampf. Mit den bisher erfolgten Antworten hatte er gerechnet. Jetzt aber hieß es, sich auch innerlich auf die Seite seiner Freunde schlagen, ihre Meinung nicht nur vertreten, sondern auch daran glauben. Trotzdem war er sich klar darüber, daß nicht er, sondern der Tentakel recht hatte, und er wußte, daß er dessen Entscheidung, war sie einmal gefallen, auch vertreten würde, wie immer sie lauten möge.
    »Ist der Wunsch der Expedition akzeptierbar, Menschen der Erde mit in unser System zu nehmen?« begann er einen ersten Vorstoß.
    Die Maschine antwortete sofort. »Unter den geplanten Sicherheitsvorkehrungen, ja!«
    »Die gleichen Vorkehrungen könnten für die Kranken getroffen werden«, stieß er nach, als habe er jemanden vor sich, den man überzeugen müsse, aber der Tentakel war nicht zu überraschen. Wieder benötigte er nur eine kaum meßbare Zeit, ehe er antwortete.
    »Es wäre der Sinn der Überführung, eine Heilung herbeizuführen. Danach wären die Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr aufrechtzuerhalten.«
    »Aber für die Menschen müssen diese Vorkehrungen ebenfalls aufrechterhalten werden.«
    »Die Menschen leben nur über einen begrenzten Zeitraum auf Morn. Die Genesenen müßten gezwungen werden, bis zu ihrem Tode unter hermetischen Bedingungen zu leben. Das zu fordern ist inhuman und nicht ausführbar.«
    »Soll das heißen, daß du gegen eine Überführung eines toten Mornen nichts einzuwenden hast?«
    »Vorausgesetzt, er ist ordnungsgemäß desinfiziert, nein!« Bojan schauderte vor der kalten Maschinenlogik. Er unternahm einen letzten Versuch und fragte: »Jede andere Lösung würdest du ablehnen?« Wieder antwortete der Tentakel sogleich: »Jede!« Bojan glaubte Überlegenheit aus den Impulsen der Maschine zu fühlen, aber er wußte, daß es nur Einbildung war. Er hatte verloren. Es gab keine Rettung für die todkranken Freunde.
    Einen letzten Blick warf er auf das künstliche Hirn. Die mattgelbe Kugel in der Nährflüssigkeit trieb einen Auswuchs an die Gefäßwandung, und obwohl dieser Auswuchs keinerlei Organe besaß, hatte er den Eindruck, als beobachte der Tentakel jede seiner Regungen. Forschend diesmal, als wollte er ihm bis ins Innerste sehen.
    Langsam stand Bojan auf und verließ den Raum, in dem er eine Niederlage erlitten hatte, von der er wußte, daß sie unvermeidbar war, schon als er den Raum betrat.
    Im Steuerraum traf er Birrha und Akul. Bei ihnen war Tekla, die ihn auf der Fahrt zum Erdmond begleitet hatte. Überhaupt war ihm die schweigsame Tekla zu einer unentbehrlichen Stütze geworden. Wie oft hatte er sich an ihr in den letzten Tagen aufgerichtet, wenn er zu zerbrechen drohte!
    Sie saßen vor einem der großen Panoramaschirme und ließen die Schroffen und Schründe der lunaren Gebirge vor ihren Augen vorbeiziehen. Er war froh, daß er Akul die Forschungen auf dem Trabanten übertragen
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