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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden
Autoren: Klaus Frühauf
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MORN
     
    Dieser Hügel in der Nähe des großen Schachtes war einer seiner Lieblingsplätze. Er war oft hier, wenn er sich in der Abgeschiedenheit eines der wenigen unbebauten Orte seiner Heimat von der Betriebsamkeit der täglichen Arbeit erholen wollte. Und er hatte diese Entspannung nötig. Die nächsten Tage würden hektisch werden auf Morn drei. Sie feierten das Fest der zweiten Sonne.
    Faunian streckte sich aus, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schloß die Augen. Er fühlte die Wärme der Sonne auf der nackten Haut seines Gesichtes, die Wärme der zweiten Sonne Morns, seiner Sonne.
    Oft, wenn er hier lag, mußte er an die Worte seines alten Lehrers denken, der Morn drei als einen der schönsten Planeten des Universums bezeichnete. Das war ein hohes Lob, wenn man bedachte, welch ungeheure Vielfalt das All hervorgebracht hatte. Aber Faunian war bereit, dem Alten rückhaltlos zuzustimmen. Auch ihn faszinierte die Majestät der sanften glatten Hügel, der weiten glänzenden Ebenen und die rationelle Symmetrie der Bauten seines Heimatplaneten. Und doch war nicht alles Gute beisammen! So drückte zum Beispiel der harte Boden schmerzhaft gegen seine Schulterblätter. Faunian richtete sich auf, stützte sich auf den Ellenbogen und blickte hinunter zum Schacht, aus dessen Trichter der lebensnotwendige Sauerstoff in die Atmosphäre strömte und der das verbrauchte Atemgas mit leisem Fauchen aus dem Lebenselement der Mornen ausfilterte.
    Zwischen dem Hügel und dem vergitterten Schachtmund lag das glatte und schnurgerade Bett eines kleinen Baches. Die Wasser schossen schnell unter flach geschwungenen Brücken dahin und teilten sich unterhalb seines Ruheplatzes, zu gleichen Teilen die Sauerstoffanlage und ein kleines Kraftwerk versorgend.
    Faunian schmunzelte, als ihm bewußt wurde, daß sie selbst diese vergleichsweise geringe Energiereserve nutzten, obwohl den Mornen seit nahezu ewigen Zeiten die unbegrenzten Energien aus atomaren Prozessen zur Verfügung standen. Und der Drang nach absoluter Rationalität war gut so, war schließlich eine der Haupttriebkräfte der Entwicklung auf Morn.
    Faunian gab sich keine Mühe, darüber nachzudenken, ob man das Flüßchen, dieses Naturrelikt, das dem ewigen Kreislauf von Verdunstung und Kondensation entsprang, aus Gründen der Ehrfurcht oder der Rationalität bestehen ließ. Es war etwas anderes, das ihn hierherzog, das ihn zwang, sich aufzurichten und mit den Blicken den kleinen Wirbeln und unvorhersehbaren Bewegungen des Wassers zu folgen. Es beunruhigte ihn, daß ihn dieser unscheinbare, in einem wie poliert glänzenden Bett dahinschießende Bach vor immer neue gedankliche Probleme stellte, daß es scheinbar keine Gesetze gab, denen die kleinen Wellen und Wirbel gehorchten. Und manchmal verwirrte es ihn, wie er lange über das Wasser nachdenken konnte, ohne eigentlich zu Schlußfolgerungen zu gelangen. Er seufzte leise und legte sich wieder zurück.
    Noch ehe er Cositas leichten Schritt hörte, spürte er, daß sie den Hügel heraufkam. Da sie annahm, er sei eingeschlafen, gab sie sich keine Mühe, ihre Gedanken vor ihm zu verbergen. Sie blieb neben ihm stehen und betrachtete ihn, und er fühlte, daß sich Cosita Sorgen um ihn machte. Die letzten Tage mit den Vorbereitungen für das Fest der zweiten Sonne hatten ihm viel Arbeit und Aufregungen gebracht, die nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren. Cositas Sorge tat ihm gut. Er spürte, wie sie beschloß, sich neben ihn zu legen und ihn nicht zu wecken. Faunian lächelte und bemühte sich, seine Gedanken im Zaum zu halten. Aus dem Schacht sang der Sauerstoff sein ewiges Lied.
    Später, als die rosa Sonne nur noch wenig über dem Horizont stand, als sich der Himmel mit einem zarten Rot überzog, öffnete Faunian die Augen. Am Himmel erschienen die ersten Sterne.
    Vorerst noch vereinzelt, würden sie schnell mehr werden, das ganze Gewölbe überziehen, das Rot verdrängen und die Welt in einen warmen gelben Schimmer tauchen.
    Faunian berührte Cositas Schulter und half ihr beim Aufstehen. Sie waren sich darüber einig, daß sie den Hügel hinab laufen würden, obwohl ihnen die Antigravgürtel einen großen Teil der Anstrengung abnehmen konnten. Das ungewohnte Laufen würde ihnen bestimmt guttun. 
    Als sie die niedrige Begrenzung am Schacht erreichten, atmeten beide schneller. Sie neigten sich über das Gitter und kühlten ihre erhitzten Stirnen an dem ausströmenden Sauerstoff. Faunian betrachtete Cosita von der
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