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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
Autoren: Mary Mackey
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sharanischer Priester-Königinnen hatten in Kataka ihre Ausbildung erhalten, und sie hatte sich immer gewünscht, daß Luma die Tradition fortsetzen würde.
    »Ich habe daran gedacht, sie statt dessen nach Süden zu schicken. Die Händler erzählen von einer Stadt hoch oben auf einem Kliff, wo der Atem der Göttin aus einem Spalt in der Erde kommt. Die Priesterinnen sitzen neben dem Spalt und atmen den Atem der Göttin; und die Händler sagen, daß sie die Zukunft voraussagen können. Sie stellen in ihren Tempeln feine Töpferwaren und Keramik her – ich habe einiges davon gesehen –, und die Händler haben mir versichert, wenn ich Luma zu jenen Priesterinnen schickte, würden sie sie aufnehmen wie eine Tochter.«
    »Und was hält Luma von der Idee, so weit von Alzac fortzureisen?«
    »Sie dankt mir freundlich dafür, daß ich ihr die Chance biete, von der Insel wegzukommen, und sie sagt, sie sehnt sich danach fortzugehen, aber sie beharrt darauf, daß sie nichts von einer solchen Initiation wissen will. Ich sage ihr, daß sie dazu geboren wurde, Priesterin zu sein, und sie erklärt, daß ich mich irre, daß sie zur Kriegerin geboren ist.« Marrah runzelte die Stirn. »Wenn sie mir damit kommt, werde ich immer wütend auf sie und sage Dinge, die ich später bereue. Die Vorstellung, daß sie gegen die Nomaden kämpfen will, macht mich regelrecht krank vor Sorge. Wie könnte ich es ertragen, noch ein Kind zu verlieren? Und dennoch denke ich manchmal, daß sie vielleicht recht hat – nicht mit ihrer Behauptung, sie sei zur Kriegerin geboren. Das werde ich niemals akzeptieren. Sondern damit, daß die Göttin ihr vielleicht nicht die Seele einer Priesterin verliehen hat. Wenn Luma in dem Traumzimmer schläft und die heiligen Kräuter zu sich nimmt, hat sie niemals Visionen. Sie scheint blind zu sein, sowohl gegen die Traumwelt als auch gegen die Künftige Welt. Manchmal – verzeih mir, wenn ich das sage, Hiknak – glaube ich, es ist die Nomadin in ihr.«
    »Aber die nomadischen Zauberpriester und Wahrsager sehen die Traumwelt und die Künftige Welt«, wandte Hiknak ein. »Changar hat sie gesehen.«
    Bei der Erwähnung von Changar verfinsterte sich Marrahs Gesicht. »Changar hat das Böse gesehen. Diese Nomadenwahrsager töten Tiere und Menschen, um ihre Visionen heraufzubeschwören, und sie sehen nichts als Unheil. Es ist mir lieber, Luma ist sowohl blind als auch taub, als daß sie solche Dinge sieht, wie Changar sie gesehen hat.«
    Hiknak beeilte sich, das Thema zu wechseln. »Wie ist das eigentlich, wenn du und Luma euch streitet? Sagt sie dir, was in ihr vorgeht, oder schreit sie dich an und greift nach kleinen Sachen, um sie zu zerschmettern, wie Keshna es tut?« Sie fragte dies, als ob sie stolz auf Keshnas Temperament wäre, was sie tatsächlich auch war. Hiknak war in einen Stamm von Nomadenkriegern hineingeboren worden, und obwohl die Jahre unter den Mutterleuten sie beträchtlich gezähmt hatten, genoß sie noch immer nichts mehr als einen lauten, erbitterten Streit mit einer nahen Verwandten.
    Marrah nahm sich noch eine Kirsche. »Luma schreit so gut wie nie. Wenn wir Streit haben, wird sie bockig und schweigsam. Und bevor ich weiß, wie mir geschieht, ist sie auch schon draußen in einem Boot mit Stavan, um Netze auszuwerfen und Fische auszunehmen. Sie erklärt mir, sie liebe die Bewegung der Wellen, weil sie sie an das sanfte Schaukeln auf einem Pferderücken erinnern, obwohl ich mir sicher bin, daß sie noch nie ein Pferd geritten hat. Ich glaube, sie sagt solche Dinge nur, um mich zu provozieren.«
    Hiknak seufzte und schüttelte den Kopf. »Wenn sie mit Stavan hinausfährt, weißt du wenigstens, wo sie ist. Keshna im Auge zu behalten ist sehr viel schwieriger. Das ist auch der Grund, warum ich sie zu dir geschickt habe.« Sie verzehrte die letzte Kirsche, verschränkte die Arme vor der Brust und kam zur Sache. »Arang und ich können nicht erlauben, daß Keshna noch länger in Shara lebt, zumindest nicht, bis sie volljährig ist. Diesmal hat sie etwas wirklich Schreckliches angestellt.«
    Was Keshna getan hatte, war derart unbesonnen und haarsträubend, daß Marrah bei Hiknaks Schilderung ärgerlich die Stirn runzelte und auf ihrer Unterlippe kaute. Es war eine lange Geschichte, aber der Kern war, daß Keshna heimlich Ranala und einem Verband von Schlangenkriegern gefolgt war, als diese nach Spuren eines Nomadenstoßtrupps gesucht hatten. Da die Nomaden die Stadt in den vergangenen sieben Jahren schon
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